Flitterwochen
wieder zurück – dafür brauche ich inklusive Seebestattung maximal einen Tag. Tatsächlich verschwunden waren Sie aber fast zwei Wochen. Verstehen Sie – Sie hatten genug Zeit, Frau Strelow einer Art Gehirnwäsche zu unterziehen und sie zu einer entlastenden Aussage zu bringen.«
Ich seufze. »Ja, aber …«
»Stopp. Bevor Frau Samstag mit ihrer Aussage fortfährt, möchte ich kurz unter vier Augen mit ihr sprechen. Ich habe meine Mandantin heute erst kennengelernt – für das notwendige ausführliche Gespräch war noch keine Zeit, ich muss also darauf bestehen.«
Hui, Steinmüller kann ja richtig energisch werden!
Der Richter nickt ergeben. »Von mir aus. Zehn Minuten. Ich hole mir so lange einen Kaffee.« Er steht auf und verlässt den Raum.
Herr Dr. Steinmüller rückt ein wenig näher an mich heran. Ob er fürchtet, dass wir hier abgehört werden?
»Frau Samstag, die Lage ist ernst. Wir haben zwar zwei entlastende Aussagen – eine von Frau Strelow, die andere von Herrn Majewski –, aber in der Tat erklärt diese ganze Urnengeschichte nicht, wo Sie sich so lange herumgetrieben haben und warum eigentlich das ganze Geld weg ist. Wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich jetzt die Wahrheit erfahren. Und zwar schnell!«
Soll ich wirklich? Die Geschichte mit der Urne ist die eine Sache, aber wenn Alexander mitkriegt, dass ich unterwegs quasi aus Versehen so etwas Ähnliches wie geheiratet habe, inklusive Flitterwochen, wird das seine schlechte Laune vermutlich nicht verbessern. Ich sehe mich vorsichtig um, was natürlich Quatsch ist, dann frage ich zögerlich:
»Sagen Sie … alles, was ich Ihnen erzähle, wird doch vertraulich behandelt, oder?«
Steinmüller nickt. »Natürlich. Anwaltsgeheimnis.«
»Und Sie erzählen es niemandem? Also auch nicht meinem Verlobten? Obwohl der Ihre Rechnung bezahlt?«
Steinmüller schüttelt energisch den Kopf. »Auf keinen Fall. Was immer Sie mir erzählen, ist bei mir absolut sicher. Also, schießen Sie los. Haben Sie die alte Strelow etwa doch entführt?«
Jetzt bin ich es, die den Kopf schüttelt. »Nein.«
»Aber warum waren Sie so lange verschwunden? Was haben Sie wirklich gemacht?«
»Also, es war so: Erstens haben wir nach Kolberg viel länger gebraucht, weil uns der Sultani mit dem Auto beschissen hat. Da mussten wir dann in diesem Tabledance-Schuppen übernachten –«
»Tabledance-Schuppen«, echot Steinmüller.
»Richtig. Und dann war Oma in Kolberg auf einmal verschwunden. Ihr war aber Gott sei Dank nichts zugestoßen, sie war nur bei Fräulein Agnieszka, im Seniorenstift.«
»Fräulein Agnieszka.«
»Genau. In der Zwischenzeit dachte die Familie von Jan aber, also von Herrn Majewski, wir hätten geheiratet. Und zwar nur standesamtlich. Und deswegen musste Onkel Bogumił uns erst mal kirchlich trauen. Alles andere hätte uns Jans Mutter nie verziehen. Die ist nämlich sehr katholisch.«
»Aha.«
»Und die Hochzeitsvorbereitungen haben natürlich ein bisschen gedauert, auch wenn wir sehr schnell waren. Dank Omas Geld.«
»Natürlich.«
»Tja, und dann kamen noch die Flitterwochen.«
»Klar, die dürfen nicht fehlen.«
Täusche ich mich, oder klingt Steinmüller sarkastisch? »Sie glauben mir nicht, oder?«
»Äh, nein. Das an sich ist kein Problem, aber wenn ich Ihnen schon nicht glaube, dann wird Ihnen der Richter dieses Märchen auf keinen Fall abkaufen.«
»Es ist aber wahr!«, protestiere ich.
»Frau Samstag, in fünf Minuten steht der Richter hier wieder auf der Matte. Bis dahin brauchen wir eine klare, stringente Erklärung dafür, warum Sie so lange verschwunden waren. Sonst wird er den Haftbefehl garantiert nicht aufheben. So weit klar?«
Klar wie Kloßbrühe. Ich nicke ergeben.
»Also wenn Sie nichts Besseres im Angebot haben, dann sollten wir uns auf die Punkte konzentrieren, die für einen deutschen Kriminalbeamten halbwegs nachvollziehbar sind – und den ganzen Rest lassen Sie weg.«
»Okay, also wie wäre es mit: Oma hat sich spontan in ein polnisches Altenheim verliebt, weil sie ihren Lebensabend gern in der alten Heimat verbringen will. Das Geld hat sie schon mal als Kaution bei Fräulein Agnieszka gelassen. Wir konnten sie nur mit Mühe davon überzeugen, wieder mitzukommen und ihrer Staatsbürgerpflicht durch eine Aussage Genüge zu tun. Das hat eben ein paar Tage gedauert, sie ist ja ziemlich stur.«
Steinmüller legt den Kopf schief. »Ja, klingt schon besser. Können die anderen Zeugen das bestätigen?«
»Das
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