Flitterwochen
hingegen bist so unglaublich borniert, dass es kracht.«
Ich habe angefangen, zu schreien. Und Alexander schreit zurück.
»Ich, borniert? Was fällt dir ein! Nur weil ich deine neue Vorliebe für zwielichtige Gestalten nicht teile, heißt das noch lange nicht …«
»Siehst du«, schneide ich ihm das Wort ab. »Genau das meine ich.
Zwielichtige Gestalten.
Das ist unverschämt! Jan hat mir wenigstens geholfen, während du die ganze Zeit nur darüber nachdenkst, ob das jetzt alles schlecht für deine Karriere ist.«
Theatralisch bricht Alexander in schallendes Gelächter aus. »Richtig. Und ich helfe dir natürlich gar nicht. Ich gebe nur eben mal ein paar tausend Euro für den besten Strafverteidiger aus, den man für Geld kriegen kann. Aber das ist ja nichts im Vergleich zu dem, was dein polnischer Freund offenbar alles für dich getan hat.«
»Da hast du ausnahmsweise mal völlig recht: Geld ist nämlich nicht alles. Und du kannst mit Geld nicht alles regeln. Ich brauche dich als Mensch, nicht als Geldautomat«, schreie ich ihn an.
»Ja? Das ist ja mal ganz was Neues! Bisher hat dich doch mein Geld nicht gestört. Von der kleinen Lehrerin zur Frau Direktor – kein schlechter Aufstieg, würde ich sagen.«
Was? Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Fassungslos starre ich ihn an.
»Wie meinst du das?«
»Genauso, wie ich es gesagt habe. Ich kann es gern noch einmal wiederholen: Bisher hat dich mein Geld nicht gestört. Meine Eltern sind sogar der Meinung, dass es das ist, was du an mir besonders attraktiv findest.«
Ich fühle mich, als hätte Alexander mich geohrfeigt. Mein Gesicht brennt regelrecht.
»Denkst du das auch?«
»Was?«
»Dass ich mich in dein Geld verliebt habe, nicht in dich?«
Alexander zuckt mit den Schultern.
»Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.«
Am liebsten würde ich jetzt aufstehen und gehen. In diesem Moment allerdings wird die Tür geöffnet, und ein älterer, sehr distinguiert aussehender Herr mit Aktentasche betritt den Raum. Das wird wohl mein neuer Anwalt sein, Herr Dr. Steinmüller. Der beste, den man für Alexanders Geld bekommen kann. Und der nun für den Herrn Direktor eine kleine Lehrerin retten wird. So ist das nämlich.
»Und Sie konnten Frau Strelow nicht dazu bewegen, eine Aussage zu machen, weil sie erst noch die Asche von Opa Heinzi in die Ostsee streuen musste?«
Ich nicke.
Der Untersuchungsrichter kratzt sich am Kopf. »Und wieso genau hat sie das nicht einfach mit ihren Kindern gemacht? Dann wäre doch dieses ganze Entführungsszenario völlig überflüssig gewesen.«
Mein neuer Anwalt mischt sich ein. »Darum geht es hier ja nicht. Ob die Beweggründe von Frau Strelow aus unserer Sicht nachvollziehbar, gar logisch sind, ist für die Tatsache, dass meine Mandantin sich keinesfalls einer Straftat nach 239 b StGB schuldig gemacht hat, unerheblich. Ich würde also vorschlagen …«
»Herr Anwalt«, unterbricht ihn der Richter sanft. »Ich will’s doch nur verstehen. Wir haben hier Überwachungsvideos aus der Bank plus die Aussagen mehrerer Zeugen, die in der Tat sowohl einen Bankraub als auch eine anschließende Geiselnahme durch Ihre Mandantin nahelegen. Auf diesem Tatvorwurf beruht auch der Haftbefehl, über den wir uns gerade unterhalten. Und dann haben wir die Aussage einer neunundachtzigjährigen Dame, die nun eine ganz andere Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die – und das werden Sie wohl zugeben – nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist. Und nichts anderes versuche ich hier gerade. Also, Frau Samstag, was war denn jetzt mit Opa Heinzi? Der war doch schon toter als tot – hätte die Seebestattung da nicht warten können, bis Frau Strelow ihre Aussage gemacht hat? Wieso kommen Sie mit dieser Geschichte so spät?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß, dass das ein wenig unglaubwürdig klingt …«
Dr. Steinmüller schnappt nach Luft.
Okay,
unglaubwürdig
war nicht das richtige Wort.
»Äh … ich meine, schwer nachzuvollziehen, aber so war es. Frau Strelow hatte Angst, ihre Kinder könnten sie für verrückt erklären, wenn sie sie dabei erwischen, wie sie mit Heinzis Asche auf dem Weg nach Kolberg ist. Und Frau Strelow lebt nun mal in der Furcht, ihre Kinder wollten sie entmündigen – ob die begründet ist, weiß ich nicht, aber jedenfalls hat sie Angst davor. Und deshalb kam sie in der Bank wohl plötzlich auf die Idee, das Ganze als Geiselnahme zu tarnen.«
»Gut, aber von Lübeck nach Kolberg und
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