Flöte und Schwert
Omar.
Bahirs Augen verengten sich zu Schlitzen. „Rrragheb viel Schwein!“ Dann stieß er Omar weg und walzte die Treppe hinunter. „Schwein!“
Omar rappelte sich auf und lief zur Treppe. Bahir schob sich durch die Küchentür und wurde von Raghebs zornigem Gebrüll empfangen. Einen Herzschlag später erklang ein Krachen, gefolgt von einem schmerzerfüllten Ächzen. „Schweeein!“, brüllte Bahir. Holz splitterte, Kochgeschirr schepperte. Unförmige Schemen zuckten im Fackelschein.
Angelockt vom Lärm fand sich eine Schar Diener und Sklaven bei der Treppe ein. Ein halbes Dutzend Soldaten überquerte im Laufschritt den Hof und stürmte die Stufen hinunter. Bahir baute sich in der Tür auf, packte den ersten Soldaten und schmetterte dessen Kopf gegen die Wand, dann wich er unter den Knüppelhieben der anderen in die Küche zurück. Nach kurzem, heftigem Kampf war es vorüber. Drei Männer lagen reglos auf der Treppe und in der Küche, und die übrigen hielten den wimmernden Bahir auf dem Boden. Der Hauptmann befahl einem Diener, Fuß- und Handfesseln herbeizuschaffen, und kurz darauf wurde der Hüne in Ketten abgeführt. Blut lief aus einer Platzwunde an der Stirn, sein linkes Auge war zugeschwollen. Im Vorbeigehen warf er Omar einen Blick zu, in dem Furcht und Verzweiflung zu lesen waren. Innerlich spürte Omar einen Stich, dann wandte er sich ab und verschloss sein Herz.
Weitere Soldaten kamen, kümmerten sich um ihre verletzten Gefährten und brachten Ragheb nach oben. Dessen Schädel war eine blutige Ruine. Hinter den Männern kam Amre die Treppe herauf, und Omar stellte zu seiner Erleichterung fest, dass sein Freund den Kampf unbeschadet überstanden hatte. Amre gesellte sich zu ihm und raunte: „Das war dein Werk, nicht wahr?“ Omar nickte kaum merklich.
Der Ägypter rieb sich das Kinn. „Du Teufel.“ In seiner Stimme schwang Ehrfurcht mit.
Al Tufail erschien in Begleitung zweier Diener. Nachdem man ihn über den Vorfall informiert hatte, befahl er, Ragheb aufzubahren und am nächsten Morgen zu verbrennen. Dann zog sich der Edelmann zurück.
Omar blickte ihm hinterher.
Du bist der Nächste.
Raghebs Platz wurde von Hassan eingenommen, einem Diener, der das sechzigste Jahr schon lange überschritten hatte. Hassan war ein vorzüglicher Koch und überaus gutmütig. Niemals ließ er seine Launen an Omar aus. Jeden Abend setzte er sich mit einer Flasche Wein in seinen bequemen Stuhl, ohne sich um das Gesetz des Propheten zu scheren, legte die Füße auf einen Hocker und trank sich in den Schlaf. Glücklicher hätte es sich nicht fügen können.
Am dritten Tag nach Raghebs Tod entschloss sich Omar zu seiner ersten nächtlichen Erkundung. Er vergewisserte sich, dass Hassan tief und fest schlief, dann steckte er eine Öllampe und Feuerstein ein, schob sich ein Messer hinter den Gürtel und verließ die Küche. Der Hof der Bergfestung lag dunkel und still. Wolken verdeckten Mond und Sterne, und die wenigen Wachen auf den Türmen hielten nach Gefahren außerhalb der Mauern Ausschau. Niemand bemerkte Omar, als er sich lautlos zum Gesindehaus schlich. Die Tür des flachen Gebäudes war verschlossen. Omar stieg durch ein offenes Fenster und fand sich im Trockenraum wieder. Auf den Leinen hingen Waffenröcke, grobe Überwürfe und Beinkleider, die feuchte Luft roch nach Laugenseife. Er öffnete die Tür, stahl sich durch den Korridor und stieg die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss des Gesindehauses hatte es durch die zahlreichen Fenster genügend Licht gegeben, um sich zurechtzufinden; im Keller hingegen herrschte undurchdringliche Schwärze. Omar holte die Lampe hervor. Beim Klacken der Feuersteine fürchtete er, das gesamte Haus würde erwachen, doch als die Lampe brannte, war immer noch alles still.
Der Raum hatte sich nicht verändert, seit Omar zu Al Tufail gebracht worden war; überall standen Kisten, Fässer, Säcke. Angespannt setzte sich Omar in Bewegung. Er kam an mehreren Türen vorbei und erreichte bald die Treppe, die hinauf zu Al Tufails Gemächern führte. Omar setzte einen Fuß auf die erste Stufe – und verharrte. Das Bedürfnis, Nadirah zu suchen, wurde drängend und machtvoll – aber war es klug, ihm nachzugeben? Er würde, selbst wenn er Nadirah fand, nichts für sie tun können. Omar besann sich auf sein ursprüngliches Vorhaben, das Haus seines Feindes zu erkunden. Nadirahs Rettung musste warten, bis er mehr über Al Tufail herausgefunden hatte.
Er kehrte der Treppe den Rücken und
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