Flöte und Schwert
setzte den Krug an seine Lippen. Das Wasser spülte den üblen Geschmack in seinem Mund fort. Den Rest schüttete er sich über den Kopf.
„Ich weiß, was geschehen ist.“ Amre ließ sich auf dem Boden des Kellerraums nieder. „Die Diener; sie haben geredet, als sie dich herbrachten. Du kannst von Glück sagen, dass Al Tufail dir nicht auf der Stelle den Kopf hat abschlagen lassen. Bei Allah, welcher Dämon hat dich da drin geritten?“
Omar starrte an die Decke. Wieder und wieder sah er, wie sich Nadirahs Augen vor Schreck und Abscheu weiteten, als Omar ihre Hand berührte. War das dieselbe Frau, die an seiner Seite von Mekka aufgebrochen war? Er wusste es nicht.
Amre begriff, dass er keine Antwort mehr bekommen würde, und streckte sich aus. „Schlaf jetzt. Ragheb wird dich morgen schinden. Er hat den Dienern versichert, dir die Flausen auszutreiben.“ Er löschte die Kerze.
Omar lag lange wach. Als Schmerzen und Übelkeit abgeklungen waren, stand er so leise wie möglich auf und schlich durch die Kammer.
Amre regte sich. „Was machst du?“, fragte er verschlafen.
„Nadirah befreien und fliehen“, sagte Omar knapp und griff nach dem Türring. Im Mondlicht, das durch das kleine Deckenfenster fiel, sah er Amres Umrisse. Der Ägypter hatte sich aufgesetzt.
„Genügt dir deine Niederlage nicht? Suchst du nun auch noch den sicheren Tod?“ Amre sprach leise, dennoch lag Schärfe in seiner Stimme.
„Vielleicht“, gab Omar zurück. Er hatte lange nachgedacht; ihm blieb keine Wahl. Welchen Sinn hatte ein Leben ohne Nadirah?
„Du bist ein größerer Narr, als ich dachte“, flüsterte Amre. „Nicht einmal bis zur Treppe wirst du es schaffen, geschweige denn bis zur Mauer. Draußen in der Küche schläft Ragheb. Sein Schlaf ist leicht, seit Abduls Fluchtversuch. Er wird beim geringsten Laut erwachen und dir alle Knochen im Leib brechen. Und selbst wenn es dir gelänge – wohin willst du gehen? Die Burg ist von Wüste umgeben; meilenweit nichts als Sand, Hitze und Skorpione.“
Omar zog die Tür einen Spalt weit auf und spähte hinaus. Das flackernde Licht einer heruntergebrannten Kerze erfüllte die Küche. Ragheb lag auf dem Schlaflager neben dem Ofen und atmete leise. Unter der dünnen Decke zeichnete sich sein massiger Leib ab. Omar öffnete die Tür ein weiteres Stück, dann ließ ihn ein Knarzen in den Angeln innehalten. Brummend wälzte sich Ragheb herum. Omar fluchte innerlich.
Amre trat neben ihn und schloss leise die Tür. „Andere haben das bereits versucht, und sie bezahlten dafür mit dem Leben. Wenn du schon fliehen willst, so überlege dir wenigstens einen Plan, der dich nicht geradewegs in Al Tufails Folterkammer führt.“
Omar ballte die Faust. Am liebsten hätte er Amre für dessen Vernunft geschlagen. Doch sein Zorn verging rasch. Leichtfertig sein Leben wegzuwerfen nützte niemandem. „Danke, mein Freund“, murmelte er.
Amre grinste. „Wenn du mir danken willst, dann beweise, dass eine Flucht von hier nicht unmöglich ist.“
Am nächsten Tag machte Ragheb seine Drohung wahr. Eine Stunde vor Sonnenaufgang weckte er Omar mit einem Tritt. Omar bekam drei Minuten, um einige Bissen Brot hinunterzuschlingen, dann wurde er auf den Hof gejagt. Am gestrigen Abend war eine Wagenladung Mehl angekommen. Ragheb ließ Omar Sack für Sack ins Lagerhaus tragen, eine Arbeit, die normalerweise von zwei Männern erledigt wurde. Ab dem dritten Sack glaubte Omar, ein Mühlrad auf seinen Schultern zu tragen. Schritt für Schritt kämpfte er sich über den Hof. Wenn er langsamer wurde, ließ Ragheb eine dünne Rute durch die Luft pfeifen. Meist zielte er auf Omars nackte Unterschenkel oder dessen Fersen. Einmal stürzte Omar, und der Sack zerplatzte auf dem Boden. Omar war so erschöpft, dass er im Mehl liegen blieb. Ragheb peitschte ihm die Haut vom Rücken und zerrte ihn schließlich wieder auf die Füße. Gegen Mittag hatte Omar alle Säcke ins Lagerhaus getragen. Todmüde schleppte er sich in die Küche zurück; dort bekam er von Amre etwas Brot und eine dünne Linsensuppe. Er hatte gerade die Hälfte verzehrt, als Ragheb ihm die Schüssel aus der Hand trat und ihm befahl, dreißig Brote zu backen. Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Omar war so voller Hass, dass er erwog, Ragheb im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Der Küchenmeister schien zu ahnen, was in Omar vorging, und schloss die beiden Sklaven von nun an nachts in ihrer Zelle ein. Abend für Abend widerstand Omar dem
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