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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Freund. Er wusste, dass ich nicht undankbar sein würde.“ Al Tufail wandte sich an die beiden Soldaten, die vor der Zelle warteten. „Nehmt ihn mit.“
    Omar war wie in Trance, als man ihn die Treppe hinaufführte. Amres Verrat traf ihn härter als alles andere. Dabei lag klar auf der Hand, wie es dazu gekommen war: Der Ägypter hatte bemerkt, dass sein Zellengenosse jede Nacht für ein paar Stunden verschwand. Als die Leiche des Kriegers auftauchte, brachte er Omar mit dem Mord in Verbindung – und schlug dem Hauptmann jenen Handel vor, der ihm Erfolg versprechender erschien als die vagen Fluchtpläne eines anderen Sklaven. Omar fühlte keinen Hass auf Amre. Was der Ägypter getan hatte, war schäbig, aber nur zu verständlich.
    Omar erwartete, ins Freie gebracht zu werden, damit sich die Bewohner der Festung an seinem Ende ergötzen konnten. Umso größer war seine Überraschung, als die Männer den Weg zur Beschwörungskammer einschlugen. Omar begann zu ahnen, welchen Tod Al Tufail für ihn vorgesehen hatte, und er verspürte plötzlich eine seltsame Mischung aus Entsetzen und Hoffnung. Mit viel Glück und Allahs Hilfe würden ihm nun die Vorbereitungen der letzten Nacht das Leben retten ...
    Al Tufail kletterte als Erster in den Schacht, in der Hand die Fackel. Die beiden Männer traten unruhig auf der Stelle. Der Jüngere hakte seine reglosen Hände im Gürtel ein und kaute auf der Unterlippe. Omar bemerkte, dass der Mann hin und wieder verstohlen über die Schulter blickte, als fürchte er ein gestaltloses Grauen in seinem Rücken. Der ältere Krieger befahl Omar, Al Tufail zu folgen. Omar setzte sich unverzüglich in Bewegung, dennoch ließ es sich der Krieger nicht nehmen, ihm noch einmal den Speerschaft gegen die Wade zu schlagen. Omar ertrug den Schmerz klaglos.
Bald ist es vorüber
, dachte er.
Auf die eine oder andere Weise.
    Die Feuer der Kohlebecken zischten. Licht und Schatten huschten über Wände, Decke, Boden und bildeten immer neue, verzerrte Formen. Omars Herz pochte wie eine Kriegstrommel. Hitze und Schwefelgestank ließen seine Augen brennen.
    „Mein Diener hat Hunger, Sklave!“, rief Al Tufail, der auf dem Steinblock stand. Er lachte. Im Feuerschein war sein Gesicht rot und orange, und die Kandora schien mit den wogenden Schatten zu verschmelzen. „Ihn giert nach deinem Blut und Fleisch, nach deinen Knochen, deiner Seele. Es ist lange her, dass er eine köstliche, kleine Seele wie deine bekommen hat!“
    Omar hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, und er wich zurück, bis er Stein in seinem Rücken spürte. Worte eines Kindergebets krochen in sein Bewusstsein. Omar hielt sich verzweifelt an ihnen fest, murmelte sie. Aber was waren Worte gegen das erdrückende Böse, das in dieser Kammer wohnte?
    Al Tufail hatte die Arme gehoben und mit dem Gesang begonnen, wie der Hohepriester eines blutrünstigen, vergessenen Götzen. Die Feuersäule wuchs zur Decke des Gewölbes, und Omar sah gehörnte Fratzen in den Flammen, die ihn voller Gier und Hohn anstarrten, seinen Namen raunten, dann nackte Leiber, deren Münder sich zu stummen Schreien öffneten. Omar glaubte, Ragheb zu erblicken, danach den Krieger, den er ermordet hatte.
Sieh her, was du uns angetan hast!
, schienen sie zu rufen. Omar schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, bis seine Kiefer schmerzten.
Ich verliere den Verstand!
, dachte er.
Allah, Allah, Allah, wo bist du?
    Als der Gesang abbrach, zwang er sich, die Augen zu öffnen. Die Fratzen waren verschwunden. Al Tufail rief den Namen des Dämons und befahl ihm, zu erscheinen. Omar blickte zum Graben, der den Steinquader umgab: ein Wassergraben, der den Zauberer vor dem Zorn des Feuers schützen sollte. Als Omar das Lampenöl hineingeschüttet hatte, war das Wasser etwas trübe geworden. Im Halbdunkel des Gewölbes war der Ölfilm nur zu sehen, wenn man das Wasser genau betrachtete, und der Geruch wurde vom Schwefelgestank überdeckt. Omar versuchte, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen.
    Der Schlangenkopf, so groß wie das Haupt eines Pferdes, schoss aus der Feuersäule, und ein Regen aus Funken ging auf das Kupferbecken nieder.
    „Zohak!“, schrie Al Tufail, „heute erwartet dich ein Festmahl!“ Der Dämon antwortete mit einem Brüllen und ließ seinen keilförmigen Kopf nach vorne schnellen. Al Tufail erwartete den Angriff mit vor der Brust verschränkten Armen.
    Das Öl fing Feuer, und einen halben Herzschlag später war Al Tufail von einem Flammenkranz

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