Flöte und Schwert
Keller ein. Hinter den Kisten versteckt, wartete er, bis Al Tufail die Beschwörungskammer verlassen hatte, dann stieg er in das Gewölbe hinunter, das vom Schwefelgestank des Dämons erfüllt war. Kurz darauf war sein Plan ausgeführt.
Am nächsten Tag sah er Al Tufail auf dem kleinen Balkon stehen. Wie am Tag von Omars Ankunft begegneten sich ihre Blicke. Der Edelmann ahmte mit einer spöttischen Geste Flötenspiel nach, und seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
Heute Nacht stirbst du
, dachte Omar. Er wollte sich abwenden, als ihn plötzlich jemand von hinten am Arm packte und herumzerrte. Zwei Soldaten standen vor ihm, zwei weitere näherten sich im Laufschritt. „Was ...?“, begann er, dann traf ihn die Faust des vorderen Mannes in den Magen.
Omar krümmte sich stöhnend. Die Umgebung verschwamm. Hände hielten ihn fest, und eine raue Stimme knurrte: „Das ist für Anvar, du Schwein!“ Ein zweiter Schlag hämmerte gegen Omars Kinn. Der Schmerz fuhr wie eine glühende Lanze durch seinen Kopf. Er hustete und spuckte Blut und einen Schneidezahn aus. Sein Körper erschlaffte. Omar wäre in den Staub gestürzt, wenn die Männer ihn losgelassen hätten.
Er wurde über den Hof geschleift. Diener und Sklaven starrten ihn an. Vor dem Küchengebäude stand Hassan. „Mörder!“, zischte der Koch und spuckte aus.
Die Soldaten stießen ihn eine Treppe hinunter. Fackellicht. Ein Gang mit Gittertüren. Ein Hieb in den Rücken ließ Omar zu Boden stürzen. Schmerz. Wirre Stimmen. Als er die Augen öffnete, war niemand mehr da. Es gab nur noch Dunkelheit und Verzweiflung.
Bahir
, dachte Omar später,
es muss Bahir gewesen sein.
Vermutlich hatte sich der Hüne verplappert, und ein Soldat oder der Schmied hatten Schlüsse daraus gezogen. Omar tastete zum Mund. Seine geplatzte Lippe war blutverkrustet. Er wusste nicht, wie lange er schon in der Zelle war. Vier Stunden, vielleicht fünf. Flackerndes Licht erfüllte den kleinen Raum. Irgendwann hatte jemand draußen auf dem Gang die Fackeln entzündet.
Wenig später öffnete sich knarzend die Zellentür. Ein Krieger trat ein, in der Hand einen Napf. „Da, deine Henkersmahlzeit, Schwein“, sagte er. Omar starrte weiter die Wand an.
Der Mann blieb in der Tür stehen. „Jetzt friss schon. Oder soll ich dir einen Schweinetrog holen?“
Omar wusste, welches Narrenspiel ihm bevorstand. Es war besser, es rasch hinter sich zu bringen. Seufzend langte er nach dem Napf.
Der Soldat spielte seine Rolle vorbildlich. Kaum hatte Omar die Schüssel berührt, trat er sie ihm aus den Fingern. Grauer Brei spritzte durch die Zelle. Der Soldat lachte. „Du kannst es ja von den Wänden lecken, Schwein.“ Dann fiel die Tür ins Schloss, und Omar war wieder allein.
Die Stunden krochen dahin. Omar versuchte, an Nadirah zu denken, an Mekka, an die Freunde, die mit ihm Musik gemacht hatten, doch die Erinnerungen wirbelten davon wie Federn im Wind, wenn er nach ihnen griff. Al Tufail würde ihn hinrichten lassen, wahrscheinlich sogar noch heute. Er erinnerte sich an das Ende, das Amres Freund Abdul zuteil geworden war.
Hoffentlich hängen sie mich
, dachte er.
Omar hob den Kopf, als die Tür aufgeschlossen wurde. Es erstaunte ihn nicht besonders, Al Tufail eintreten zu sehen. Im Halblicht der Zelle wirkte die Kandora des Edelmannes wie aus Dunkelheit gewoben. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er nicht die Absicht hatte, sich lange mit Omar aufzuhalten. „Du hast einen meiner Männer getötet und die Flucht aus meinem Haus vorbereitet“, sagte er ohne Umschweife. „Dafür wirst du mit dem Tod bestraft.“
Omar leckte sich über die Lippen. „Was geschieht mit Nadirah?“ In seinem Mund war es so trocken, dass seine Stimme krächzend klang.
„Ich sollte sie ebenfalls töten lassen“, erwiderte Al Tufail, „doch ich muss gestehen, dass ich mich an ihre Dienste gewöhnt habe. Ich werde sie so lange behalten, bis sie beginnt, mich zu langweilen.“ Er wandte sich zum Gehen. In der Tür drehte er sich noch einmal um. „Vielleicht interessiert es dich zu erfahren, dass du deine Lage deinem Freund Amre zu verdanken hast.“
Es dauerte einige Sekunden, bis Omar die Bedeutung von Al Tufails Worten begriff. Es fühlte sich an, als habe er einen Tritt in den Bauch bekommen. „Amre? Er ...“ Omar stockte und fuhr mit leiser Stimme fort. „Er hat mich verraten?“
„Er bot dem Hauptmann den Namen des Mörders an und verlangte dafür die Freiheit. Ein kluger Mann, dein
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