Flora Segundas magische Missgeschicke
auf die Point Lobos Road in Richtung Norden ab.
Der Tag, der so sonnig begonnen hatte, war, wie Udo es prophezeit hatte, kühl und feucht geworden. Ich hatte mich zwar in Poppys Büffelfellmantel eingewickelt, aber ich fror dennoch erbärmlich und war froh, dass Udo hinter mir ritt, denn er verströmte Hitze wie eine Wärmflasche. Vor mir lag Flynnie, wie eine
nasse Socke quer über dem Sattel. Zwei Mal hatten wir versucht, ihn nach Crackpot zurückzuscheuchen, und drei Mal war er uns gefolgt und hatte uns eingeholt. Beim dritten Mal entschlossen wir uns, ihn mitzunehmen, aber er konnte auf Dauer mit einem Pferd nicht Schritt halten. Glücklicherweise ist Bonzo ziemlich kräftig und Flynn wiegt nicht viel. Außerdem gab er trotz seiner Magerkeit ebenfalls Wärme ab.
Der schwankende Rhythmus von Bonzos Tritt schläferte mich ein. Ich döste vor mich hin und glaubte fast, ich würde tatsächlich schlafen und das alles wäre nur ein Traum …
»Schau!« Udo deutete voraus.
Wir hatten den Kamm des Point-Lobos-Hügels erreicht und dort vor uns erhob sich Bilskinir wie ein Scherenschnitt vor dem aufziehenden Nebel. Die Villa war auf einer hohen Steilklippe am nördlichen Ende des Pacifica-Strandes errichtet worden und die Felsen, auf denen das Haus stand, waren schwarz wie Bitterschokolade. Sie ragten so steil aus dem Wasser, dass ich bezweifelte, dass auch nur eine Eidechse an dem glasigen, glatten Stein emporklettern konnte. Es war schwer zu sagen, wo die Klippen endeten und das Fundament von Bilskinir begann. Ich war dem Anwesen noch nie so nahe gekommen, und es gefiel mir gar nicht, dass das Haus so dunkel und geheimnisvoll aussah, beinahe bedrohlich.
»Was für ein Baustil ist das, was meinst du?«, fragte Udo. Flynnie zappelte und trat um sich, daher schob ich ihn von Bonzos Rücken. Er rutschte die Düne hinunter und sprang ins Wasser, wobei er einen Schwarm Möwen aus dem Sand aufschreckte.
»Ich weiß nicht. Frühes wahnsinniges Barock? Es sieht ein bisschen aus wie eine Hochzeitstorte«, gab ich gähnend zurück.
»Eine bösartige Hochzeitstorte.«
»Wie kann eine Hochzeitstorte bösartig sein?«
»Sie kann schwarz sein und unheimlich – und bösartig. «
Eine Straße, aufgerissen und von Unkraut überwuchert, nahm am Strand ihren Anfang und erstreckte sich in Wellen an der Seite der Klippe hinauf. An der nördlichen Kante verschwand sie um die Ecke. Der sanfte Sandstrand wurde von Felsen abgelöst, wo sich flache Flutbecken gebildet hatten, in denen Seegras auf und ab wogte. Möwen kreisten und stießen aus dem Himmel hinab und stiegen wieder hinauf. Ihre Schreie wurden in der Ferne vom Bellen der Seelöwen beantwortet.
Ich trieb Bonzo in Richtung Strand, auf die Straße zu. Flynn hopste vor uns her, schnupperte am Seegras und platschte durch das Wasser, wobei er jeden Vogel ankläffte, der die Frechheit besaß, ihm zu nahe zu kommen. Schon bald standen wir am Fuß der Klippe, und die Höhe, mit der sich das Haus über uns auftürmte, erschien unglaublich und niederdrückend. Als ich den Kopf in den Nacken legte, verzerrte sich die Perspektive. Das Bild vor meinen Augen schwankte und für einen kurzen, angsterfüllten Augenblick glaubte ich, das gesamte Haus – mit Türmchen, Zinnen, Kuppeln, Pfeilern und den ganzen Lebkuchenverzierungen – würde auf uns herabstürzen.
Die Flut kam; eine grüne Sichel aus schäumendem Wasser schwappte über den Strand. Jede Welle
stieg ein bisschen höher und fiel ein bisschen weniger weit zurück als die vorige. Der Anfang der Straße war überflutet, aber ich hoffte, dass das Wasser noch nicht zu hoch stand.
»Wie lange dauert es wohl, bis die Flut ihren Höchststand erreicht hat?«, fragte ich Udo und zügelte Bonzo, sodass er direkt am Rand des Wassers zum Stehen kam.
»Nicht lange«, erwiderte er. »Das Wasser steigt rasend schnell.«
Ich fragte Udo nicht, ob er eine Vorstellung davon hatte, wie hoch die Flut steigen würde. Nach den nassdunklen Flecken auf dem Sand und dem Seegras auf den Felsen zu urteilen, wurde dieser Teil des Strandes wohl vollständig überflutet, einschließlich eines guten Stücks der Straße.
Stattdessen fragte ich: »Wie lange dauert es, bis das Wasser wieder sinkt?«
»Etwa sechs Stunden.«
»Dann hoffe ich nur, dass Mama gehörige Verspätung hat«, sagte ich düster.
»Vielleicht gibt es in Bilskinir auch eine Hintertür«, sagte Udo. »Im Führer steht zwar nichts darüber, aber es muss doch einen anderen Weg hinein
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