Florentinerpakt
klammheimlich in nichts
auflöst. Und mit fünf Zeilen auf Seite 16 darüber berichtet wird. Kurzfristige
Profilierung zulasten eines Unschuldigen. Widerlich.«
»Danke. Warum tun Sie das für mich?« Die Stimme des
Bankdirektors klang seltsam belegt.
»Das mache ich nicht für
Sie, sondern für den Rechtsstaat. Also aus demselben Grund, warum ich nach wie
vor nicht ganz ausschließen kann, dass Sie nicht doch etwas mit dem Tod Ihrer
Frau zu tun haben«, erwiderte Brandtner schroffer, als er beabsichtigt hatte,
und schubste Garber damit zurück auf den Boden der Realität.
»Aber ich neige auch in diesem Fall eher dazu, den Schuldigen
woanders zu suchen«, beschwichtigte er gleich wieder. »Haben Sie schon
überlegt, wer ein Interesse daran haben könnte, Sie oder Ihre Frau zu töten?
Wer kann gewusst haben, dass Ihre Frau an diesem Abend in das Haus zurückkommt?
Fällt Ihnen sonst noch etwas dazu ein?«
»Ich denke die ganze Zeit darüber nach, was hinter
diesem …«, er zögerte, suchte nach einem passenden Ausdruck, »diesem
schrecklichen Geschehen stecken könnte. Ist wirklich auszuschließen, dass es
ein Unfall gewesen ist?«
»Der Bericht des Sachverständigen lässt keinen Zweifel zu,
stellte Brandtner dezidiert fest. »Aber auch die übrigen Umstände weisen
deutlich darauf hin. Der Brandbeschleuniger in den Schlafräumen, um ganz
sicherzugehen, falls die Explosion nicht ausreichen sollte. Dann dieser Mann in
der Arbeitskluft eines Installateurs, der am Nachmittag aus Ihrem Hause
gekommen ist. Was hat der Mann da gemacht? Sicher keine lecke Gasleitung repariert.
Und dann auch noch …«, er stand auf und begann, auf und ab zu gehen,
»… ein angeblicher Postbeamter in Uniform, der am frühen Morgen
auftaucht, um dem Grund für die Störung des Telefons nachzugehen.« Er
schüttelte den Kopf. »Vor 10, 15 Jahren wäre das vielleicht noch durchgegangen.
Aber die Telekom schickt schon seit Jahren keine uniformierten Beamten mehr
los, um Störungen zu beheben. Das sieht ganz danach aus, als ob sich jemand
vergewissern wollte, dass sein Plan auch aufgegangen ist.« Entschieden schüttelte
er den Kopf. »Nein, das war kein Unfall. Dass Ihre Frau einfach zur falschen
Zeit am falschen Ort war, kann natürlich sein. Offenbar haben aber zumindest
Sie einen Feind. Die Frage ist, wer könnte das sein?«
Betroffen blickte Garber vom Major zu seinem Gastgeber und
wieder zurück. »Wenn man eine bestimmte Position erreicht hat, gibt es in einem
großen Unternehmen wie der Bank natürlich immer auch Neider, Konkurrenten. Ein
konkretes Beispiel: Ich bin angeblich Erstgereihter im Besetzungsvorschlag für
den neuen Kreditdirektor Wien-Nordwest. Das ist schon eine sehr interessante
Position, die einen erheblichen Gehaltssprung mit sich bringt. Ich bin sicher,
dass die beiden Herren, die hinter mir gereiht sind, über meine Verhinderung
nicht gerade traurig wären. Aber Mord, nein, das traue ich keinem der beiden
zu.«
»Dafür reichte ja eine Anklage wegen Vergewaltigung völlig
aus«, meinte Gutenbrunner trocken, aber die beiden anderen waren zu sehr mit
ihren Gedanken beschäftigt, um auf den Einwand einzugehen.
Ȇbrigens, die falsche Krankenschwester wollte Sie gestern
mit Aconitum vergiften«, fuhr ›Fink‹ Brandtner fort. »Wir wissen zwar nicht,
wie viel sie Ihnen verpassen wollte. Aber bei ausreichender Dosierung hätte es
zu einer Lähmung des Kreislaufes kommen und damit mortal enden können. Das war
ein zweiter Anschlag. Und das innerhalb von 24 Stunden. Der Täter ist sehr
eifrig, sehr nervös oder beides. Sieht ganz so aus, als stünde er unter
Zeitdruck.« Er trat ans Fenster und blickte hinaus. »Sobald wir wissen warum,
wissen wir auch, mit wem wir es zu tun haben.«
*
Palinski war überrascht über die Helle, die um
ihn herum herrschte. Automatisch schloss er die Augen, um sie sofort wieder
vorsichtig zu öffnen. Es wurde aber mehr ein Blinzeln daraus. Ein scheuer Blick
auf seine Armbanduhr verriet ihm den Grund für die ungewohnte Ausleuchtung des
Wohnzimmers, in dem er sich befand. Konkreter formuliert, er lag, komplett
bekleidet und mit einer warmen Schafwolldecke bedeckt, auf der bequemen Couch.
Und es war bereits zehn Minuten nach 9 Uhr. Soweit er sich erinnern
konnte, hatte er das letzte Mal nach seiner etwas ausufernden Maturafeier vor
27 Jahren derart verschlafen. Matura, das war auch das Stichwort, das ihm die
gestrigen
Weitere Kostenlose Bücher