Florentinerpakt
gestern Abend bei Pizza und einem süffigen Valpolicella auf das
unverkrampfte Du geeinigt hatte. »Schon fleißig?«
»Morgen, Axel«, erwiderte Nowotny, während er eine weitere
Suchanfrage in die Tasten hämmerte. »Kaffee ist fertig, was du sonst willst,
musst du dir selbst nehmen. Die Semmel ist von gestern, das Brot auch. Ich
würde das Brot nehmen.«
»Waren Max und Moritz schon draußen?«, wollte der Zahnarzt
wissen und kraulte die beiden freundlich um ihn herum tollenden Hunde hinter
den Ohren. »Ich könnte ja eine Runde mit ihnen drehen und bei der Gelegenheit
frisches Gebäck holen.«
»Klingt gut«, anerkannte Florian, »aber nur als Madame. Sonst
dreht Mario durch. Und ich auch, wenn ich es mir recht überlege.«
»Muss das sein? Ich gehe doch bloß einmal um den
Häuserblock«, versuchte Axel, das Unvermeidliche zu verhindern.
»Und du glaubst, die
Verkleidung ist nur für Ausgänge in die weitere Umgebung bestimmt«, entgegnete
der junge Mann. »Weil dein Verfolger ja bei der U-Bahn-Station Karlsplatz auf
dich wartet und nicht hier bei deiner Ordination. Kommt nicht infrage.
Angesichts der frühen Stunde darfst du aber auf das Make-up verzichten«, meinte
er mit freundlichem Spott. »Setz aber sicherheitshalber eine Sonnenbrille auf.«
Rossbach wusste natürlich, dass sein Leibwächter recht hatte,
und fügte sich in sein Schicksal. Wenig später stand er da im schicken
Designer-Hosenanzug, der gepflegten schwarzen Perücke und dem modischen Paletot
und sah richtig gut aus. Die beiden Hunde wirkten zunächst ein wenig irritiert.
Nachdem sie aber die bekannte Witterung wieder aufgenommen hatten, folgten sie
ihrem komisch aussehenden neuen Freund auf dem Fuß.
»Halt«, brüllte Florian der ›gnädigen Frau‹ nach,
»nimm diese neutrale Geldbörse. Sonst erkennt man dich noch an deiner
Designer-Brieftasche.«
Wie schon gesagt, Florian Nowotny war ein Spitzenmann. Oder
zumindest auf dem besten Weg dahin.
*
Exakt um
8 Uhr erschien Inspektor Werner Musch mit zwei Uniformierten im Allgemeinen
Krankenhaus, um Hans Garber festzunehmen. Nachdem die Spurensicherung in
Marlene Mattigs Wohnung ein Glas mit einem Fingerabdruck des Verdächtigen
gefunden hatte, war der Sack Muschs Ansicht nach zu. Und zwar wasserdicht.
Als die drei Beamten das Zimmer erreichten, in dem der Banker
nach Muschs Erinnerung eigentlich noch sein musste und das im richtigen
Stockwerk, war die behördliche Enttäuschung riesengroß. Der Inspektor brüllte
etwas von »den Verantwortlichen für diese Scheiße den Arsch aufreißen« zu
wollen, drohte der Stationsschwester mit dem 3. Grad sowie dem
stellvertretenden Verwaltungsdirektor mit Beugehaft. Schließlich konnte er von
der internen Sicherheitstruppe nur unter Hinweis auf das Hausrecht einigermaßen
zur Räson gebracht werden.
Ein Telefonat mit dem ursprünglich mit der Bewachung Garbers
betrauten Beamten brachte dann zutage, dass der Delinquent von Major Brandtner
persönlich abgeholt und weggebracht worden war. Wohin? Keine Ahnung.
Aber mit ihm, Werner Musch, machte man so etwas nicht. Und
falls doch, dann höchstens ein einziges Mal. Der Inspektor setzte den Kollegen
auf seine höchstpersönliche Liste der ›personae non gratae‹ und schwor ihm
Rache.
*
›Fink‹ Brandtner hatte natürlich keine Ahnung
davon, welche ›guten Wünsche‹ sein Kollege aus Döbling für ihn im Herzen trug.
Der Major war unterwegs zu einem kleinen, abgeschiedenen Häuschen in der Nähe
von St. Andrä Wördern. Hier hatte er schon wiederholt Personen untergebracht,
deren zeitweiser Aufenthalt aus den unterschiedlichsten Gründen vertraulich
behandelt werden und geheim bleiben sollte. Außer ihm und seinem Assistenten
Lorenz Egger wusste nur noch Brandtners direkter Vorgesetzter sowie der Leiter
des Landeskriminalamtes über dieses ›sichere Haus‹ Bescheid. Und natürlich auch
noch der Hausherr, der alte Franz Gutenbrunner. Der frühere Kommandant des
Gendarmeriepostens Königstetten war ein alter Freund der Brandtners und ›Fink‹
nach dem frühen Tod seines Vaters Mentor gewesen.
Als der Major das Haus betrat, saßen Garber und Gutenbrunner
noch beim Frühstück. Er wusste genau, dass die entspannt wirkende Stimmung
nicht ganz die Situation vor wenigen Minuten widerspiegelte. Der 76-Jährige
hatte die Annäherung von Brandtners Fahrzeug über die letzten 300 Meter der
Zufahrtstraße beobachtet und seine
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