Florentinerpakt
pflichtete Axel bei.
»Andererseits kann ich mich die nächsten Tage doch nicht hier vergraben. Ich
habe morgen und übermorgen Ordination. Und dann die Weihnachtsfeier mit den
Mitarbeiterinnen. Ich kann doch mein Leben nicht drei Tage einfach aussetzen.«
Das sah Palinski ein. »Da werden wir uns eben was einfallen
lassen müssen. Vielleicht sollten wir einen Bodyguard für Sie auftreiben?«
»Ich habe wieder etwas gefunden«, meldete sich jetzt Florian
zu Wort. »Ein Werner Dudek und seine Frau Annemarie haben am 23. September in
Mörbisch ein Segelboot gemietet. Nachdem die beiden das Boot bis 20 Uhr
nicht zurückgebracht hatten, hat der Bootsverleiher die Polizei verständigt.
Als man das Boot zwei Tage später auf ungarischer Seite im Schilfgürtel
gefunden hat, war das Paar schon mindestens 36 Stunden tot.«
»Annemarie Pucher«, murmelte Rossbach schockiert, »so hieß
Werners Freundin. Er war seit der 6. Klasse mit ihr zusammen. Das müssen
sie sein. Ein ganz liebes, freundliches Mädchen. Um Himmels willen, was haben
wir denn mit dieser Scheiß-Tontine bloß ausgelöst?«
»Und die Todesursachen?«, wollte Palinski bewusst knapp und
sachlich wissen.
»Laut dieser
Zeitungsmeldung ist die ungarische Polizei von Mord und Selbstmord
ausgegangen«, stellte Florian fest. »Das Paar geriet in Streit, er zog eine
Waffe, erschoss seine Frau und dann sich selbst. Ende.«
»Niemals«, stöhnte Axel auf, »so kann sich das unmöglich
abgespielt haben. Werner war der friedlichste Mensch der Welt, er konnte keiner
Fliege was zuleide tun. Geschweige denn seiner geliebten Annemarie. Er hat
seinerzeit am heftigsten dagegen protestiert, dass der militärische Schund
meines Großvaters in die Tontine aufgenommen wird.«
»Und was ist mit der Waffe?« Palinski war ebenso berührt wie
der Zahnarzt, versuchte aber ganz bewusst, kühl zu bleiben.
»Die wurde nicht gefunden.« Florian runzelte die Stirne.
»Aber eines ist interessant. Bei den Patronen, mit denen die beiden getötet
worden sind, handelte es sich ebenfalls um Kaliber 9 mm. Theoretisch wäre es
durchaus möglich, dass sie aus derselben Waffe abgefeuert worden sind, mit der
auch Friedrich Rutzmann getötet worden ist.«
Wieder einmal gratulierte sich Palinski insgeheim zu diesem
Glücksfall von Mitarbeiter. Zu ausführlicheren Würdigungen Nowotnys klaren
Verstands und seiner meisterhaften Beherrschung der Internet-Recherche war
jetzt aber keine Zeit.
»So, nun müssen wir aber einen Gang zulegen«, stellte er
fest.
»Wir haben zwei, nein, drei Tote, die möglicherweise mit
derselben Waffe erschossen worden sind. Zwei davon waren Angehörige der
›Sieben‹. Auf einen dritten ›Siebener‹ wurden innerhalb weniger Tage zwei
Anschläge verübt. Dass es dabei nur einen Schwerverletzten gegeben hat, war
reines Glück.«
Er stand auf und ging zum Fenster, um etwas frische Luft
hereinzulassen. »Falls ich mich nicht verzählt habe, bleiben noch drei Männer
über, von denen wir nicht wissen, wo sie sich aufhalten. Und von denen
zumindest zwei bis zum 22. Dezember in höchster Lebensgefahr schweben. Wir
sollten«, er schüttelte den Kopf, »nein, wir müssen jetzt die Polizei ins Spiel
bringen. Sonst machen wir uns an weiteren Morden mitschuldig.«
»Wieso nur zwei«, wollte Axel wissen, »wieso schweben nicht
alle drei in Lebensgefahr?«
So begriffsstutzig konnte nur ein unmittelbar Beteiligter
sein, dachte Palinski. »Weil die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass einer
von euch fabulösen ›Siebenern‹ den mysteriösen Metallkoffer samt Inhalt ganz
für sich allein haben möchte.«
»Klar«, der Zahnarzt schluckte mehrmals wie ein Ertrinkender.
»Das ist logisch, gleichzeitig aber auch unvorstellbar. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass einer von uns …«
Er ließ den Satz
unvollendet, wohl um die mitleidigen, auf eine seltsam pervertierte Art
belustigt wirkenden Blicke der beiden anderen nicht zu verlängern.
»Ich frage mich nur, warum der ›Böse‹, wer immer es auch sein
mag, zunächst 28 Jahre untätig ist«, wunderte sich Florian, »bevor er den
ersten ›Siebener‹ eliminiert hat. Dann lässt er sich fast zwei Jahre Zeit, bis
er den zweiten erledigt. Schließlich vergehen wieder einige Wochen, ohne dass
etwas geschieht. Zumindest soweit wir bisher wissen. Und jetzt, knapp vor
Erreichen der ›dead line‹«, der Begriff hätte nicht besser gewählt sein können,
fand Palinski,
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