Florentinerpakt
Spital hatte sich der behandelnde Arzt inzwischen zu dem
beruhigenden Befund ›keine Lebensgefahr mehr‹ durchgerungen und damit eine
deutliche Stimmungsverbesserung bei allen Betroffenen bewirkt. Auf dem Weg nach
St. Andrä war dann auch noch die erlösende Meldung eingetroffen, dass Garber
wiederaufgetaucht war, und das unverletzt.
Die primär zu beantwortende Frage hatte nun gelautet: Wohin
mit dem Bankdirektor, denn in dem ehemals sicheren Haus konnte er ja wirklich
nicht bleiben. Palinski wäre nicht Palinski gewesen, wäre ihm nichts
eingefallen. In dem zweiten Büro im Institut befand sich eine Schlafcouch, die
konnte Herr Garber natürlich gerne benutzen.
Für einen weiteren Höhepunkt des Abends sorgte dann noch
Florian Nowotny. Er war extra aufgeblieben, um seinem Chef die erfreuliche
Nachricht sofort kredenzen zu können.
»Mario, wir haben diesen Nehodal ausfindig gemacht«, kündigte
er bereits an, ehe die Ankommenden überhaupt noch alle in der guten Stube
waren. »Er hat am 27. April vor 23 Jahren im Standesamt in der Martinstraße
eine Doris …«, er blickte auf seinen Notizblock, um den Namen abzulesen.
»Garber geheiratet«, fuhr Hans Garber fort. »Und
dabei …«
Aber so leicht ließ sich Florian nicht um seinen Erfolg
bringen.
»Und dabei hat er von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch
gemacht, den Familiennamen seiner Frau anzunehmen.«
Überrascht blickten alle auf Nehodal, Pardon, Garber. »So
einfach und logisch«, kommentierte Palinski das ungläubige Schweigen, »und
trotzdem so schwer, draufzukommen, wenn man nicht in dieser Richtung sucht.«
Inzwischen war auch Axel, der bereits im Bett gewesen
war, aufgetaucht. »Was ist denn hier los?«, wollte er wissen und blickte den
Neuankömmling an.
»Hans, bist du das?«, fragte er ungläubig. Garber nickte nur,
dann sagte er: »Axel, ich freue mich wahnsinnig, dich wiederzusehen.« Die
beiden Männer umarmten sich. »Hast du eine Ahnung, was eigentlich los ist?«
Es ging noch lange her an diesem Abend bzw. bis in den
nächsten Morgen hinein. Und zum Teil auch hoch.
9
Für Situationen wie die letzte Nacht und die
damit verbundenen ›Menschenmassen‹ war das ›Institut für Krimiliteranalogie‹
fast schon zu klein. Dabei waren Palinski die beiden zusammengelegten
ehemaligen Hausbesorgerwohnungen mit ihren insgesamt sechs Räumen bisher wie
ein kleines Palais, ›sein‹ Palais, vorgekommen.
Mit drei weiteren Schlafgästen – neben Florian,
Dr. Rossbach, Garber und den beiden Hunden Max und Moritz hatten auch ›Fink‹
Brandtner sowie das Ehepaar Wallner die Nacht hier
verbracht – waren die entsprechenden Kapazitäten aber mehr als
ausgelastet gewesen.
Franca Wallner, die stellvertretende Kripochefin am
Kommissariat Josefstadt, war auf Wunsch ihres Mannes zu der Runde gestoßen, um
mit ihrem scharfen Verstand zur Zusammenführung und Konsolidierung der bisher
zwei Fälle zu einem einzigen beizutragen.
Jetzt saß die Runde, zu der sich auch Palinski gesellt hatte,
beim Kaffee. Mario, der den kurzen Rest der Nacht ausführlich genutzt hatte,
sich wiederholt mit Wilma zu versöhnen, sah ziemlich ramponiert aus. Aber seine
ansteckende Fröhlichkeit ließ die dunklen Ringe unter seinen Augen aussehen wie
Ehrenzeichen.
»Von den ursprünglichen ›Sieben‹ sind jetzt nur mehr zwei am
Leben«, fasste Franca Wallner zusammen. »Und das sind Dr. Rossbach und Direktor
Garber. Herwig Nestler ist vor Jahren eines natürlichen Todes gestorben. Soweit
Krebs natürlich ist«, schränkte sie ein. »Gregor Atzinger ist aller
Wahrscheinlichkeit nach einem Unfall zum Opfer gefallen, auch wenn der
Zeitfaktor einen gewissen Zusammenhang mit diesem Fall nicht ganz ausschließt.
Jakob Fahlbichler wurde eindeutig ermordet, ziemlich sicher auch Friedrich
Rutzmann. Bleibt noch der eigenartig anmutende Selbstmord Werner Dudeks nach
dem angeblichen Mord an seiner Frau. Habe ich etwas vergessen?«
Franca hatte nicht und fuhr fort: »Sind übrigens die Patronen
schon miteinander verglichen worden, mit denen Rutzmann und Dudek getötet
worden sind? Und die Kugel, mit der der arme Gutenbrunner angeschossen worden
ist, sollte auch in diese Betrachtung einbezogen werden.«
»Rutzmann und das Ehepaar Dudek wurden jeweils mit einer
Patrone Kaliber 9 mm erschossen«, wusste Florian, »also wäre es durchaus
denkbar, dass in beiden Fällen dieselbe Waffe verwendet worden ist.«
Wallner, der
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