Florentinerpakt
einer dieser Berechtigten diesen Koffer samt Inhalt
bekommt. Warum das so ist? Keine Ahnung. Vielleicht ist etwas in dem Koffer,
das Rückschlüsse auf seine Identität oder sein Fehlverhalten zulässt. Oder auch
beides.« Sie nahm den vor ihr stehenden Krug mit Wasser, schenkte sich ein Glas
voll und trank.
»Vor rund zwei Jahren hat er dann den ersten ›Siebener‹
erledigt, diesen Herrn«, sie blickte in ihre Aufzeichnungen, »Ritzmann.
Wahrscheinlich zumindest.«
»Der Projektilvergleich läuft, ich hoffe, dass wir noch heute
ein Ergebnis bekommen werden«, warf Wallner ein.
»Dann hat er sich entweder Zeit gelassen oder ist durch
irgendeinen Einfluss an der konsequenten Fortsetzung seiner Mordabsichten
behindert worden«, fuhr die Linsinger fort. »Das kann eine Krankheit sein, eine
Auslandsreise, etwas in der Art. Theoretisch aber auch eine besonders
erfüllende Liebesbeziehung, die die Verfolgung anderer, unschöner Ziele ganz
einfach unterdrückt hat.«
Jetzt wurde dem Täter aber langsam die Zeit knapp. Dem
wahrscheinlichen Doppelmord an Dudek und seiner Frau folgten wieder einige
Wochen, in denen nichts geschah. »So hat er sich plötzlich gezwungen gesehen,
innerhalb von wenigen Tagen alle restlichen Berechtigten aus dem Weg zu räumen.
Dabei ging und geht er allem Anschein nach zwar sehr dynamisch und flexibel
vor, beginnt aber auch zu schlampen. Und damit Fehler zu machen.«
Fehler hatte er ja zuletzt zuhauf gemacht. Der Anschlag auf
eine unbeteiligte Person, nämlich Magister Blum, die Gasexplosion ebenfalls mit
einem unbeteiligten Opfer, heute das zweite verunglückte Attentat auf Rossbach
innerhalb von fünf Tagen. Und da war auch noch dieser doch etwas seltsame
Banküberfall, der möglicherweise ebenfalls ›nur‹ ein verdeckter Mordversuch an
Direktor Garber war.
»Was für einen Rückschluss auf diesen Menschen lässt die
Tatsache zu, dass der Mann einen Sprachfehler hat?«, Wallner sprach aus, was
auch die anderen bereits gedacht hatten. »Der Kerl lispelt, fast so, als ob das
sein Markenzeichen wäre. Ich denke, so ein Sprachfehler macht einen doch
irgendwie besonders auffällig. Ist doch so?«
»Also Fernsehmoderator ist
er mit Sicherheit keiner«, antwortete Dr. Linsinger und bewies damit neuerlich
Humor, ansatzweise sogar schwarzen. »Wahrscheinlich spricht er in seinem zivilen
Leben nur sehr wenig oder gar nicht. Auf jeden Fall dürfte er nicht in einem
Maße in der Öffentlichkeit stehen, die sein Lispeln zum verräterischen Merkmal
werden lässt. Kann auch sein, dass er ein etwas eigenartiges Deutsch spricht.
Ich habe einmal eine Frau gekannt, die ebenfalls Probleme mit dem ›S‹ gehabt
hat. Sie hat eine erstaunliche Perfektion darin erreicht, verbal zu
kommunizieren, ohne Worte mit dem fraglichen Buchstaben zu verwenden. Achten
Sie daher auf auffallende Unterschiede im Ausdruck, beim Schreiben und beim
Sprechen.«
Besonders beachtlich war auch der Umstand, dass sich der
Täter zuletzt offenbar einer Komplizin bediente, »entweder ist sie jemand, die
ebenfalls ein sachliches Interesse an seinen Zielen hat, oder eine neue
Geliebte«.
Die Tatsache, dass er beim gemeinsamen Vorgehen mit der Frau
auf eine Schusswaffe verzichtete, war nach Meinung Linsingers möglicherweise
auf einen gewissen, nicht unbeträchtlichen Einfluss der Frau auf den Täter
zurückzuführen. »Sie lehnt Pistolen und Revolver ab, aus welchen Gründen auch
immer, und er respektiert das. Zumindest bisher.«
»Kann das etwas damit zu tun haben, dass der Frau die Spitze
und das erste Glied des kleinen Fingers fehlen?«
»Wenn dieses körperliche Manko auf einen Unfall oder Vorfall
mit einer Schusswaffe zurückzuführen ist, kann das durchaus der Fall sein«,
bekräftigte die Psychologin. »Wenn sie dabei ist oder auch allein aktiv wird
wie im Falle Mag. Blums, greift sie eher zu ›weiblichen‹ Methoden wie einem
Betäubungsmittel. Der Einsatz der Garotte dagegen ist sicher von ihm
ausgegangen«, vermutete sie. »Das war ein besonders brutaler Mord, sowohl von
der Methode her als auch von der Durchführung. Möglich, dass er ihr damit
beweisen wollte, trotz aller Rücksichtnahme imstande zu sein, sie zu
schockieren, wenn er nur will. Die beiden scheinen permanent einen zumindest
leichten Geschlechterkampf miteinander auszutragen.«
»Inwieweit kann das für uns von Bedeutung sein?«, mischte
sich jetzt ›Fink‹ Brandtner ein.
»Schwer zu sagen«,
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