Florentinerpakt
aber auch seine Reisepläne in Mitleidenschaft gezogen
werden, was ihn fast noch mehr störte. Er sehnte sich schon sehr nach einigen
Tagen Ruhe und Entspannung. Und nach den kundigen, flinken Fingern Ernas.
Palinski, Garber und Rossbach, die ja wussten, wie die
Inszenierung idealerweise ablaufen würde, waren völlig ruhig und entspannt.
Erstens schien hier keine Gefahr für sie zu bestehen, und zweitens lag der
Ablauf völlig in dem ihnen bekannten Zeitplan. Dass langsam doch eine gewisse
nervöse Spannung von ihnen Besitz ergriff, konnten sie aber nicht verhindern.
Als die Sekretärin nochmals nach ihren Wünschen fragte, baten sie um Kaffee.
Kurz nach 12 Uhr klingelte das Telefon. Dr. Jacomi
stürzte sich auf den Hörer wie ein Ertrinkender auf den Rettungsring. Innerhalb
von Sekunden verwandelte sich die hoffnungsvolle Weitsichtigkeit seiner Augen
in verkniffen-verzweifelte Niedergeschlagenheit. Der alte Mann sah plötzlich
zum Gotterbarmen aus, und Palinski empfand Mitleid mit ihm. Wenn die Dinge tatsächlich
so lagen, wie er und die Polizei vermuteten, dann war Doktor Franz Jacomi
ebenfalls ein Opfer dieser scheußlichen Geschichte. Allerdings ein noch
lebendes.
»Meine Herren, das war mein Partner«, der Notar wankte, einem
Kollaps nahe, von seinem Schreibtisch zu den Besuchern. »Es ist mir wahnsinnig
peinlich, und ich bin untröstlich, aber der Koffer und damit die
›Siebener-Tontine‹ ist weg. Es ist entsetzlich.«
Schwer ließ er sich in einen freien Besuchersessel fallen und
versuchte, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Nachdem er sich einigermaßen gefasst hatte, begann er mit
stockender Stimme, das Wenige zu erzählen, das er wusste.
*
Inzwischen hatte Tatjana die Raffineriestraße
verlassen und fuhr über den Biberhaufenweg zur Neufahrtbrücke und weiter
Richtung Großer Biberhaufen. Als sie das Mühlwasser erreichte, stellte sie
ihren Pkw am Straßenrand ab, verließ das Fahrzeug mit dem Metallkoffer und
stieg zum Mühlwasser hinunter. Unten angelangt, blickte sie sich um. Nachdem
ein einsamer Radfahrer und zwei Klein-Lkws die Stelle passiert hatten, warf sie
den Metallkoffer mit viel Schwung in das fast stehende Gewässer. Ehe sie zu
ihrem Wagen zurückkehrte, beobachtete sie den ganz langsam dahintreibenden
Koffer, der partout nicht untergehen wollte. Vielleicht war die Wahl des Ortes,
an dem sie sich des Corpus Delicti hatte entledigen wollen, doch nicht ganz
glücklich gewesen.
Nachdem sie wieder losgefahren war, näherte sich der
Wagen mit Brandtner dem Ort der Entledigung eines Beweismittels. Er hatte in
sicherem Abstand gewartet, um das primäre Ziel der Aktion, die Sicherstellung
des Koffers, nicht zu gefährden.
Der jüngere der beiden Beamten in seiner Begleitung fackelte
nicht lange und warf sich in voller Montur in das eiskalte Wasser, um den in
einer Entfernung von knapp fünf Metern vom Ufer dahintreibenden Koffer zu
bergen. Er war wohl auf eine Beförderung aus oder zumindest auf eine
Belobigung. Was heldenhaft wirken sollte, war vor allem aber saudumm, fand
Brandtner. Der Major hatte nämlich in der Nähe am Boden einen langen Ast
entdeckt, mit dem sich das Objekt der polizeilichen Begierde problemlos auch
ohne feuchtes Intermezzo hätte sicherstellen lassen. Um dem jungen Kollegen das
Gefühl zu ersparen, sich blöd vorzukommen, verzichtete er darauf, den Ast
aufzuheben und damit demonstrativ im Wasser herumzustochern. Er ging vielmehr
zum Fahrzeug zurück und holte zwei Decken aus dem Kofferraum. Die legte er dem
zitternden und mit den Zähnen klappernden ›Helden vom Mühlwasser‹ um die
Schultern.
Dann nahm er sich den Koffer vor, der ihm eigenartig leicht
vorkam. Was auch kein Wunder war, denn das gute Stück war völlig l e e r. Nicht
einfach leer, nein, so was von Leere wie in diesem Koffer bekam man nicht alle
Tage zu sehen.
Brandtner schüttelte den Kopf, holte sein mobiles Telefon
heraus und versuchte, eine Verbindung mit Wallner herzustellen.
*
Nachdem die Polizei Dr. Erwin Jacomi von den
Handschellen befreit und die Ausfahrt der Parkgarage wieder passierbar gemacht
hatte, mischte sich Wallner ein, der den gesamten Vorgang interessiert
beobachtet hatte. Er erklärte den uniformierten Kollegen gerade genug, um sie
dazu zu bringen, ihm das Opfer des dreisten Überfalls zur weiten
Beamtenhandlung willig zu überlassen, was nicht weiter schwierig war, denn die
Burschen waren
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