Florian und das Geisterhaus
Heut nachmittag hab ich viel bei dir gelernt.
Mit herzlichem Dankeschön und Hinweis auf das Volksfest verabschiedet sich Florippo .
Auf dem Heimweg verlagert Florian die Konzentration zu sich und erschrickt. Wieso haben wir jetzt miteinander geredet? Filippo selbst weiß doch gar nicht, daß ich in ihm drinstecke! Wahrscheinlich vergißt das, was noch von ihm drin ist, alles wieder, wenn er in sich zurückkommt und ich weg bin. Wie beim Traum. Muß da mal Tante Thekla fragen!
Doch die schwarze Kugel kommt ohne die Tante zurück. Wie ein Tennisball hüpft sie vor Freude über die Ernte des Nachmittags, über ihren Ippocampino Ippocampissimo ! Sie herzt und liebkost ihn, daß Florian sein Bewußtsein auf neunundneunzig zu eins zurücknimmt, um nicht erdrückt zu werden.
Weil ihn aber auch als Einprozentler noch der Hunger plagt — Filippo macht das nichts, der ist’s gewohnt — , verlagert er die Prozente für einen Satz auf sechzig zu vierzig: „Mamma, laß mich im Ristorante ein Brathuhn kaufen!“
Schleunigst bringt er sich vor dem nächsten Freudenausbruch wieder in Sicherheit.
Teresa hebt Filippo hoch und küßt ihn — eine Sache, für die er wirklich zu alt ist.
„No!“ sagt sie und lächelt die Scheine in ihren Händen an — sie hat ja auch einen mitgebracht, und das Sümmchen kommt ihrer Faulheit sehr gelegen. „Wir essen gleich im Ristorante ! Und dann gehen wir zum Volksfest!“
Graziella bei der Kapella! reimt Florian während des Essens immer wieder stumm vor sich hin, um es nicht zu vergessen. So früh am Abend sind sie die einzigen Gäste. Filippo hat wieder sein Sonntagsgewand an. Die große schwarze Kugel hat der kleinen schwarzen Kugel eine Blume ins Haar gesteckt, und weil sie großzügig bestellt, werden sie höflich bedient. Wie er zu dem vielen Geld kam, muß ihr Ippocampo berichten, vom Amulett und dem dünnen Mädchen, das Adelheid heißt.
Zwei Flaschen Wein rinnen durch die Kehle der schwarzen Kugel. Filippo hat die Menge nur um ein paar Schlucke verringert, und Florian hat zu bremsen versucht. Das würde doch sehr teuer, hat er gemeint und dabei von Teresa eine Lektion empfangen, die er bestimmt nie wieder vergißt! Wer arm ist, darf nicht sparen. Er muß feiern, wann er kann. Damit er eine solide Erinnerung hat, von der er in schlechten Zeiten lebt.“
Teresas Genußfreude entpuppt sich als Vorteil. Filippo rollt die volle Kugel nach Hause, steckt sich noch einen Schein ein und geht allein zum Volksfest.
Der ganze Ort ist auf der Piazza, dem Platz vor der Kirche versammelt, Tische und Bänke sind aufgestellt. Überall wird geredet, gegessen und getrunken. Auch Touristen „schnuppern original italienische Atmosphäre“, wie einer von ihnen sagt. Die dünne Adelheid mit ihren Eltern und Florians Eltern sind nicht dabei.
Ein Tritt von der Wucht eines Elfmeters trifft Florippo . Zum Glück hat er die Mittelfinger nicht zusammengehakt. Wie sich herausstellt, war es eine Gemeinschaftsleistung von Roberto und Cesare gleichzeitig. Er sieht sie noch wegrennen, und damit steht das Spiel fest, das sich über den Abend hinziehen wird: Anschleichen, treten, verschwinden. Bei der Kapelle, einer uniformierten Vereinigung geübter Falschbläser, trifft Florippo auf Graziella.
„Was willst du denn hier? Heute nachmittag warst du doch im Hotel.“
Ihr schnippischer Ton verleitet beide Bewußtsein zu ähnlicher Antwort. „Nur auf einen Whisky!“
Ein weiterer Tritt läßt ihn herumfahren und hinter der Kapelle suchen. Bis er wieder nach vorn kommt, ist Graziella weg.
Filippo möchte nach ihr suchen, doch Florian hat in der Menge zwei Entdeckungen gemacht und steuert geradewegs darauf zu. Nach einem saftigen Tritt für Cesare geht er, wie zufällig, einer Gruppe von Hotelgästen entgegen. Unter ihnen seine Eltern.
„Sieh an, unser Filippo!“ Der Vater der dünnen Adelheid hat ihn erkannt.
„Und wie schön angezogen!“ lobt das Mädchen, als wär das jetzt das Wichtigste.
„Kommen Sie original italienische Atmosphäre schnuppern?“ fragt Florian ziemlich laut und schaut seine Eltern an, die ihn natürlich nicht erkennen.
Die Hotelgäste lachen und zeigen sich von der Formulierung, wie von seinem einwandfreien Deutsch gleichermaßen überrascht. Papa und Mama nicken wohlwollend.
Erst als Adelheid Florippo um die Schulter faßt, ihn als Taucher vorstellt, der ihr Amulett bei der gefährlichen Klippe gefunden, ein Jahr in Deutschland gelebt hat und zwar in Neustadt, entwickelt
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