Flossen weg
kalten Küstengewässer vor Chile, unterwegs, um das japanische Walfangschiff Kyo Maru abzufangen, es aufzuhalten, zu belästigen und ihm ganz allgemein das Leben schwer zu machen. Clay stand am Ruder, und als das Schiff einen bestimmten Punkt auf dem GPS-Empfänger erreicht hatte, gab er das Kommando, die Maschinen abzustellen. Es war ein sonniger Tag, ungewöhnlich ruhig für diesen Teil des Pazifiks. Das Wasser war so dunkelblau, dass es beinahe schwarz zu sein schien.
Clair war unter Deck in ihrer Kabine. Sie war fast die ganze Zeit über seekrank, hatte aber trotz aller Übelkeit darauf bestanden, mitzukommen, wobei sie den Kapitän mit ihren messerscharfen Überredungskünsten bearbeitet hatte. ( »Wer hat hier den Hintern? Also dann, hilf mir packen.« )
Nate stand vorn am Bug und hielt Elizabeth Robinson im Arm. Über ihnen baumelte ein Sechs-Meter-Schlauchboot mit verstärktem Rumpf an einem Kran, bereit zu Wasser gelassen zu werden, sobald es gebraucht wurde. Am Heck, wo auch das Tauchboot untergebracht war, gab es noch ein weiteres Schlauchboot. Oben, auf dem erhöhten Steuerstand, überschaute Kona das Meer mit einem Großfernglas auf einem schweren Eisenstativ, das an die Reling geschweißt war.
»Da ist einer. Tausend Meter.«
Clay kam zu Kona auf den Laufgang. Alle blickten sie nach Steuerbord, wo die Restwolke einer Fontäne über den stillen Fluten hing.
»Noch einer!«, rief Clay und deutete auf einen zweiten Wal, näher am Schiff, beim Backbordbug.
Dann fingen sie an, in die Luft zu schießen wie eine Kettenreaktion: Fontänen unterschiedlicher Form, Höhe und Winkel – mächtige Explosionen von Gischt, so nah am Schiff, dass die Decks vor Nässe glänzten. Dann rollten die Rücken der großen Wale im Wasser um sie herum, graue und schwarze und blaue, Hügel von feuchtem Fleisch auf allen Seiten, bewegten sich langsam, dann lagen sie still im Wasser. Nate und Elizabeth traten an die Bugreling und betrachteten eine Gruppe von Pottwalen, die nur wenige Meter vor dem Bug faul im Wasser lagen. Daneben trieb ein breiter Nordkaper, schwankte in der sanften Dünung, und nur ein langsames Winken mit dem Schwanz verriet, dass er noch lebte. Er rollte sich auf die Seite, und sein Auge wölbte sich hervor, als er sie ansah.
»Bist du okay?«, fragte Nate Elizabeth und drückte ihre Schulter. Es war das erste Mal seit vierzig Jahren, dass sie wieder auf See war. Sie hielt eine braune Papiertüte in Händen.
»Sie kommen erstaunlich nah heran. Das hatte ich ganz vergessen.«
»Warte ab.«
Mittlerweile hatten sich wohl hundert Tiere unterschiedlicher Spezies um das Schiff versammelt; die meisten lagen auf der Seite, ein Auge glubschte in die Luft. Ihre Fontänen kamen in synkopiertem Rhythmus, wie Zylinder einer gewaltigen Maschine, die nacheinander zündeten.
Kona sprang neben Clay auf und ab, pries Jah und lachte jedes Mal, wenn eines der Tiere atmete oder mit dem Schwanz schlug. »Irie, meine waligen Freunde!«, rief er und winkte den Tieren zu. Clay widerstand nur schwer dem Drang, seine Kameras zu nehmen und zu fotografieren oder zu filmen. Es fühlte sich an, als müsste er sehr, sehr dringend pinkeln, aber aus den Augen.
»Nate«, rief Clay, und er deutete auf ein Netz aus Blasen, das sich etwas außerhalb des Ringes treibender Wale bildete. Sie hatten so etwas Dutzende Male in Alaska und Kanada gesehen: Ein Buckelwal schwamm Kreise und gab einen Strom von Luftblasen von sich, um einen Fischschwarm zusammenzutreiben, während sich andere in die Mitte stürzten, um die Fische zu fangen. Der Kreis aus Blasen wurde an der Oberfläche immer deutlicher, als würde das Wasser kochen, und dann durchbrach ein einzelner Buckelwal den Ring, erhob sich gänzlich aus dem Wasser und verursachte einen weiten Krater aus Gischt und Spritzern.
»Heilige Mutter Gottes!«, sagte Elizabeth. Ängstlich verbarg sie ihr Gesicht in Nates Jacke, dann sah sie eilig wieder hin, um ja nichts zu verpassen.
»Sie geben gern an«, sagte Clay.
Die dümpelnden Wale paddelten träge aus dem Weg, machten einen Korridor zum Schiff frei. Der Buckelwal schwamm dem Bug entgegen, mit dem knorrigen Gesicht über Wasser. Dann war er nur noch zehn Meter vom Bug entfernt. Das Tier hob sich aus den Fluten und öffnete sein Maul. Amy kam auf die Beine. Neben ihr stand James Poynter Robinson.
»Hey, kriegen wir vielleicht eine Leiter hier runter?«, rief Amy.
»Gepriesen sei die Gnade Jahs«, sagte Kona. »Das Sahneschnittchen kommt
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