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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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sterben.«
    »Frank!«, schrie Monmouth.
    Der dicke Frank fasste Henrys Kiefer noch etwas fester und zog ihn bis zu seinem Gesicht herab.
    »Schreibe meinen Namen auf ein Fleckchen Stein!«, sagte Frank. Dann küsste er Henry auf die Stirn.
    Monmouth trat einige Schritte zurück.
    Frank stemmte beide Hände auf Henrys Brust, dann stieß er ihn die Klippe hinunter.
    Henry wäre fast an seinem eigenen Schrei erstickt, als er mit rudernden Armen und Beinen hintenüberfiel.
    »Lebe, Henry York!«, rief ihm eine Stimme nach.
    Dann platschte er ins Wasser.
     
    Unterhalb der Wasseroberfläche war die Welt ganz still.
    Keine Zauberer. Kein Sturm. Keine Luft.
    Henry wusste nicht, ob er das schlimm finden sollte. Er hätte einfach hier unten bleiben und sich hinabsinken lassen können und die Welt würde aufhören, so verrückt zu sein.
    Sein Geist war abgestumpft und ratlos. Aber seine Lunge war es nicht. Von einem Moment auf den anderen löste Panik seine Ratlosigkeit ab. Er konnte die Wasseroberfläche sehen.
Bögen aus orangefarbenem Licht flackerten darüber hinweg. Er machte ein paar Züge darauf zu, merkte aber, dass er seinen rechten Arm nicht richtig bewegen konnte.
    Er steckte im Gurt des Rucksacks.
    Unter größter Anstrengung zog Henry den Arm aus dem Gurt, trat den Rucksack von sich und schwamm wie ein Wahnsinniger zur Oberfläche.
    Sein Gesicht brach aus dem Wasser heraus, in den Sturm und den Regen. Er rang nach Luft und sah zur Klippe empor. Erkennen konnte er niemanden, aber trotz des Sturms hörte er Schreie.
    Mit seinen halb lahmen Gliedern paddelnd und rudernd, Wasser schluckend und wieder ausspuckend, untertauchend und wieder hochtreibend, drehte Henry sich um und sah über den Hafen zur Stadtmauer hinüber und zum Kai. Bis dorthin war es eine ziemliche Strecke, und auch wenn das Wasser im Hafen weniger aufgewühlt war als auf dem offenen Meer, war es immer noch alles andere als ruhig.
    Sein Kopf brummte vor Schmerz; von dem, was er in dem Wäldchen getan hatte, und durch den Sauerstoffmangel, nachdem er beinahe ertrunken wäre. Trotzdem gelang es ihm, sich seiner Schuhe zu entledigen und mit langsamen Kraulbewegungen auf die Reling des nächstliegenden gesunkenen Schiffes zuzuschwimmen.
    Je weiter er sich vom Strand entfernte desto höher wurden die Wellen. Henry musste mehr und mehr kämpfen, um nicht die Richtung zu verlieren und den Kopf über Wasser zu halten. In seinem früheren Leben hatte er nie ohne Rettungsweste schwimmen dürfen. Er hatte sie gehasst, aber jetzt
hätte er für dieses große, dicke, orangefarbene Ding mit dem peinlichen Riemen im Schritt alles gegeben. Stattdessen trug er nur ein Sweatshirt, und das zog ihn nach unten. Am liebsten hätte er es ausgezogen, aber ihm war klar, dass er sich dabei nur verheddert hätte und abgesoffen wäre, weil er so erschöpft war.
    Dutzende Male sagte er sich, dass er die Arme nicht mehr bewegen konnte, dass er gleich einen Krampf in den Beinen bekam, dass er es einfach bleiben lassen und verschnaufen sollte. Aber es gab nichts, wo man es hätte bleiben lassen können, und der einzige Ort, um zu verschnaufen, war in der Ewigkeit. Sobald er versuchte, sich ein wenig treiben zu lassen, stießen ihn die Wellen dahin, wo sie ihn hinhaben wollten. Nach unten nämlich.
    Vom Wasser aus konnte er nicht erkennen, was in der Ebene vor der Stadt geschah. Dass aber immer noch Pfeile durch den Wind zischten, das sah er wohl. Während er ihnen nachsah, stieß seine Hand im Wasser an etwas. Es war nichts Lebendiges, daher packte er es, spie einen Mundvoll Hafenwasser aus und guckte sich an, was er gefunden hatte.
    Es war ein Seil. Er sah zu dem Schiffsmast hinauf, der immer noch viele Meter von ihm entfernt aus dem Wasser ragte, und dann auf das Seil in seinen Händen. Er zog daran. Es hing schlaff herab, und zunächst beförderte Henry damit eine Menge Schlick an die Oberfläche. Trotzdem konnte er sich daran vorwärtshangeln. Und dann war der Schlick irgendwann weg und Henry glitt durch das Wasser dem Schiff entgegen. Als er es erreicht hatte, klammerte er sich an den schief stehenden Mast und gönnte seinen Gliedern ein wenig Entspannung.
Er blickte zurück zur Klippe und dann wieder zur Kaimauer. Mehr als die Hälfte der Strecke hatte er geschafft. Das nächste untergegangene Schiff lag ein Stück weiter Richtung Hafenmündung. Von der Stelle aus, an der er sich jetzt befand, gab es bis zu der lang gestreckten Kaimauer keine Möglichkeit mehr, sich

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