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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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auszuruhen.
    Über der Stadt zuckten Blitze. Licht fuhr in Zacken hernieder, Donner rollte über die Wasseroberfläche, und Henry spürte, wie das Wasser erbebte.
    Wenn der Blitz irgendwo in das Hafenbecken einschlug, konnte er dabei durchaus ums Leben kommen. Und wenn er in Henrys Nähe einschlug, war er mit Sicherheit tot.
    Henry umklammerte den Mast mit den Beinen und zog unter großen Mühen sein Sweatshirt aus. Dann drückte er sich gegen den Mast und stieß sich mit aller Kraft, die er noch in den Beinen hatte, davon ab.
    Ohne das Sweatshirt kamen ihm seine Arme viel freier und auch wieder stärker vor, aber nur für kurze Zeit. Seine Muskeln erschlafften und sein Magen ballte sich zu einem Kloß zusammen, vor Angst ebenso wie vor Erschöpfung.
    Henry schloss die Augen. Er atmete so gleichmäßig, wie er nur konnte und bewegte dabei weiter seine Arme. Wenn jetzt der Blitz ins Wasser einschlug, würde er es wahrscheinlich gar nicht mitbekommen.
    Ein Donnerschlag ließ ihn zusammenzucken.
    Henry öffnete die Augen und stellte fest, dass er abgetrieben worden war. Dennoch befand er sich näher am Kai, als er erwartet hatte. Er riss sich zusammen, brachte seine Atmung wieder in Rhythmus und schwamm weiter.

    Als er den Kai erreichte, suchte er auf der anderen Seite des Hafens nach Lebenszeichen.
    Drei schwarz gekleidete Männer standen auf der Klippe. Ihre Kutten flatterten im Wind.
    Henry versuchte sich die Kaimauer hinaufzuziehen, aber sie war zu hoch und seine Arme verweigerten den Dienst.
    So hangelte er sich von Stützpfeiler zu Stützpfeiler auf die steile Böschung zu, die bis zur Stadtmauer hinaufreichte. Als er sie erreichte, fand er irgendwie Halt für Füße und Hände und es gelang ihm, sich aus dem Wasser herauszuziehen. Von dort kroch er auf die mit dicken Balken ausgelegte Oberfläche des Kais und blieb heftig atmend und mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegen.
    Wenn er aufgepasst hätte, hätte er gesehen, wie der Blitz ins Wasser einschlug.
    Nach einer Weile rollte er sich auf den Bauch, rappelte sich erst auf die Knie und stellte sich dann auf seine nackten Füße. Gegen den Wind taumelte er über den Kai auf eine kleine Treppe zu, die zu einer in die Mauer eingelassenen schwarzen Tür führte.
    Er war fest entschlossen anzuklopfen.
    Die Mauer bestand aus glattem Stein. Mörtel konnte Henry nicht erkennen. Sie war sehr hoch. Henry gelangte zur Treppe und setzte seine Hände vor sich auf die erste Stufe, um hochzukriechen.
    »Stehen bleiben!«, rief eine Stimme. Henry fuhr zurück und blieb stehen. Er sah sich nach der Stimme um. In der Mauer über der Tür befanden sich Schlitze. Henry sah eine Pfeilspitze.

    »Die Parole?«, fragte die Stimme.
    »Äh«, machte Henry. Er fühlte sich schon wieder ganz wackelig. »Ich … ich möchte zu Hyazinth.« Der Name schmeckte seltsam auf seiner Zunge.
    »Die Stadt wird belagert. Ohne Parole werden wir die Tür nicht öffnen.«
    Ein Donnerschlag dröhnte und die Tür bebte in den Angeln.
    »Ich bin durch den ganzen Hafen geschwommen. Ich muss unbedingt zu ihr.« Er schluckte. »Ich bin ihr Sohn.«
    »Welcher?«, fragte die Stimme. »Ich kenne dich nicht.«
    »Henry. Ich war weg.«
    »Weg? Seit wann?«
    Darüber musste Henry erst nachdenken. »Seit immer«, sagte er schließlich und sank auf den Stufen zusammen.
    In diesem Moment wurde die Tür geöffnet.

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    H enry schlug die Augen auf und sah in ein blutbespritztes Gesicht. Über ihm wölbte sich eine niedrige Steindecke. Durch die offene Tür und die Schießscharten fiel das Tageslicht ein – falls man es so nennen wollte. Im Regen lag Henry zwar jetzt nicht mehr, den Wind spürte er aber immer noch. Das Gesicht lächelte ihn an, mit einem breiten Lächeln und einem energischen Kinn. Es erinnerte ihn an das Kinn von Henrietta.
    »Ich bin dein Onkel Caleb«, sagte das Gesicht. »Du wirst schon lange erwartet.«
    Henry wollte sich aufsetzen, aber der Mann drückte ihn wieder zu Boden. Hinter ihm standen zwei weitere Männer. Caleb drehte sich zu ihnen um.
    »Er hat den Hafen durchschwommen?«, fragte er. Die beiden Männer nickten.
    Er wandte sich wieder an Henry, blickte in seine Augen und noch tiefer. »Du hast heute am Rande des Todes gekämpft. Und du hast deine Sache gut gemacht.«
    Dann erhob er sich und ging zur Tür.
    »Schafft ihn zum Haus seiner Mutter. Er braucht vor allem
Schlaf. Seine Cousinen können sich um ihn kümmern. Was es sonst noch an Wiedersehen geben

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