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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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Hang, den sie gerade erklommen hatte. Irgendwo hinter ihr, da war sie sich sicher, lag das Haus der Frau. Sie glaubte nicht, dass sie allzu sehr die Richtung gewechselt hatte. Vor ihr verdunkelte sich die Landschaft wieder. Bäume standen da. Ein richtiger Wald. Die Kronen wuchsen zusammen und verschluckten das Licht. Als sie hierher gebracht worden war, waren sie durch einige Wälder gekommen, aber selbst wenn der kürzeste Weg durch diesen Wald hindurch führen sollte, wusste sie, dass sie ihn nicht nehmen konnte. Bestimmt gab es dort Tiere und nach nachtaktiven Waldbewohnern stand ihr keinesfalls der Sinn. Natürlich konnte sie auch auf freiem Feld von Tieren angefallen werden, aber zumindest hatte sie auf diese Weise Gelegenheit, sie zu sehen, bevor die Biester sie anknabberten. Sofern nicht gerade ein paar Wolken im Weg waren.
    Sie wandte sich um und sah die andere Seite des Berges hinab. Auch in dieser Richtung erstreckte sich ein Wald, aber er war nicht ganz so dicht. Zum Rand hin wurde er lichter und im wieder schwächer werdenden Licht konnte Henrietta erkennen, dass sich etwas Längliches zwischen den Bäumen hindurchwand. Vielleicht war es die Straße. Oder wenigstens irgendeine Straße.

    Es war nun wieder dunkel und Henrietta machte sich auf den Weg nach unten. Bergab ging es viel besser. Und schneller. Das Gras strich ihr im Gehen um die Beine, und je weiter sie nach unten kam, umso dichter standen die Bäume.
    Der Boden wurde nun eben und Henrietta begann gemächlich zu traben. Im Mondlicht tauchte sie unter Ästen hinweg und im Schatten der Wolken ertastete sie sich mit ausgestreckten Armen ihren Weg.
    Sie schob sich zwischen zwei Bäumen hindurch und trat ins Freie hinaus. Und dann ins Wasser.
    Henrietta versuchte sich am Land festzuklammern und bekam zwei Hände voll Schilf und Gräser zu fassen. Als sie ins Wasser eintauchte, verrenkte sie sich die Schultern, aber sie ließ nicht los, trotz der Strömung, die an ihren Beinen zerrte.
    Sie biss die Zähne zusammen und es gelang ihr, sich umzudrehen und das Gesicht dem Ufer zuzuwenden. Und sie konnte zwei Büschel Gras an den Wurzeln packen. Strampelnd und prustend zog sie sich die Böschung hinauf und blieb schwer atmend am Ufer liegen.
    Die Nacht war plötzlich bedeutend kühler und unfreundlicher geworden. Und jetzt wusste Henrietta auch, dass es keine Straße gewesen war, die sie entdeckt hatte, sondern ein Fluss. Als sie gefesselt auf dem Karren gesessen hatte, hatte sie Bäche gesehen. Aber keinen Fluss. Noch nicht mal das, was man einen kleinen Fluss hätte nennen können. Sie massierte sich ihre schmerzenden Schultern, setzte sich auf und streckte ihre nassen Beine aus.
    Das Licht reichte gerade, um eine schwarze Linie auf der anderen Seite auszumachen. Das gegenüberliegende Ufer.
Dies hier war ein richtiger Strom. Und obendrein ein ziemlich schnell dahinfließender.
    Henrietta seufzte und prustete durch die Lippen. Es war ziemlich sinnlos, weiterzulaufen. Sie konnte dem Fluss in den Wald hinein folgen, aber wozu? Sie hatte nicht die geringste Ahnung, in welcher Himmelsrichtung FitzFaeren lag oder die Pforte nach Kansas. Konnte sein, dass sie in der Gegenrichtung zu der alten Königin zurücklief. Oder sie konnte umdrehen und wieder auf den Berg steigen.
    Ihr Magen verknotete sich und Henrietta fühlte einen Anflug von Panik. Sie wollte ihre Gedanken nicht in Worte fassen. Nicht einmal sich selbst gegenüber. Dann tat sie es aber dennoch: Vielleicht konnte sie nie mehr nach Hause zurückkehren. Ihrem Vater war es ja genauso ergangen. Vielleicht musste sie für immer hierbleiben. Und hier sterben. Ihr Leben mit kleinwüchsigen, sehr ernsten, halbmagischen Leuten verbringen. Neben ihr sprang etwas vom Ufer und plumpste ins Wasser.
    Henrietta zog ihre nassen Beine an und umfasste ihre Knie. Wenn plötzlich Magdalene aus dem Schilf gesprungen wäre oder Joseph mit seinem komischen Bart und einer Taschenlampe, hätte sie beide umarmt und darum gebeten, wieder in die Kammer gesperrt zu werden. Fliehen konnte sie später immer noch. Aber ihr war klar geworden, dass sie im Moment nicht mal mehr zu Magdalenes Haus zurückfinden würde, selbst wenn sie es gewollt hätte.
    Gern hätte sie sich eingeredet, dass ihr Vater nach ihr suchte. Dass er alles versuchte, um sie zurückzuholen. Aber an Großvaters Tür zu trommeln und ihren Namen zu rufen
und dann ihre weinende Mutter in den Arm nehmen, war wohl das Einzige, was er im Moment tun konnte. Sie würde

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