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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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keine Geschwister mehr haben, die sie ärgern konnte – oder über die sie sich ärgerte. In dieser Welt würde sie nichts mehr haben.
    Aber sie hatte Durst und dieses Problem löste der Fluss für sie.
    Henrietta legte sich auf den Bauch und schob sich zentimeterweise die Böschung hinab, sodass sie mit einer Hand an die Wasseroberfläche reichte. Sie schöpfte sich Wasser in den Mund und überlegte, wie viele Bakterien sie wohl gerade zu sich nahm. Vielleicht nicht ganz so viele wie in den Flüssen zu Hause. Sofern keine Kühe in der Nähe waren. Oder Biber. Aber eigentlich war ihr das im Moment auch egal. Das Wasser war kalt und schmeckte süß. Und sie trank, soviel sie mit ihrer Hand nur schöpfen konnte.
    Das Wasser brachte sie zwar nicht auf andere Gedanken, aber es gab ihr den Mut zurück. Sie würde nach Kansas heimkehren! Irgendetwas musste sie doch tun können – und wenn sie dazu bis zum Morgen warten musste.
    Allerdings wollte sie nicht bis zum Morgen warten. Sie war nicht müde. Dazu hatte sie zu viel Angst und zu viel Adrenalin im Blut. Außerdem hatte sie Hunger und sie musste sich etwas ausdenken, wie sie nach Hause kommen konnte, ohne geschnappt zu werden.
    Mit einem Mal hatte sie eine Idee: Eli! Der würde sie bestimmt nicht einfach an Magdalene ausliefern. Eli würde wissen, wo FitzFaeren lag. Vielleicht konnte er ihr helfen, unbemerkt wieder nach Hause zu finden. Er konnte sie zwar
nicht besonders leiden, aber so wie es klang, mochte er seine Schwester noch viel weniger. Vielleicht half er Henrietta dabei, ihr eins auszuwischen.
    Magdalene hatte gesagt, er stromere in den zerstörten Häusern am Fluss herum. Am Fluss war Henrietta ja nun schon mal.
    Das bedeutete, dass sie in einer der beiden Richtungen auf Eli stoßen würde. Sie musste sich nur für eine entscheiden und dem Fluss folgen. Und sie musste sich nur für die Richtige entscheiden.
    Sie beschloss, in Richtung Wald zu laufen. Der Wald war hier nicht allzu dicht, und sie hatte immer noch das Gefühl, dass diese Richtung von Magdalene wegführte. Sie wusste aber auch, dass ihre Orientierung komplett durcheinander sein konnte.
    Henrietta biss sich auf die Lippen. Was war denn wahrscheinlicher? Dass sie ihre Orientierung in der Dunkelheit verloren hatte, oder dass sie sie uneingeschränkt behalten hatte, während sie durch die Nacht über Berg und Tal gelaufen war?
    Sie stand auf und schlug die dem Wald entgegengesetzte Richtung am Flussufer ein. Es war wirklich gut möglich, dass ihr innerer Kompass auf dem Kopf stand. Darum entschied sie sich genau gegen ihre Instinkte. Die hatten ihr diese Suppe hier überhaupt erst eingebrockt. Also wollte sie sich lieber nicht mehr auf sie verlassen.
     
    Nachdem sie drei alte kleine Häuschen und eine eingestürzte Mühle inspiziert hatte, wusste Henrietta nicht mehr, wie lange sie schon unterwegs war. Sie hatte eine Katze erschreckt und
einen Schrei ausgestoßen, sonst aber keinerlei Ergebnisse ihrer Suche vorzuweisen. Das Adrenalin war längst verflogen, und ihre Augenlider waren schwer.
    Die Bewölkung am Himmel hatte sich aufgelockert und ihr viel Licht beschert, aber das machte sie auch nicht froher. Und dann roch sie mit einem Mal Rauch.
    Ein Holzfeuer brannte. Aber sie roch auch noch etwas anderes. Etwas, das sie in jeder Welt und in jeder Zeit wiedererkannt hätte.
    Da briet jemand Speck.
    Henrietta beschleunigte ihren Schritt, nach wie vor in einem gewissen Abstand vom Ufer des Flusses. Nach etwa zwanzig Metern wurde der Duft stärker und durch eine neue Komponente bereichert: Zwiebeln. Sie kletterte über einen umgestürzten Baum, und dort, unmittelbar vor ihr, zwischen einem Fels und einem faulenden Baumstumpf, stand eine kleine Hütte. Eigentlich eher ein Schuppen. Henrietta sah umher und konnte die Überreste eines deutlich größeren Hauses erkennen, das ein Stück weiter vom Fluss entfernt lag. Die Hütte war wohl eine Art Bootsschuppen. Für Spielzeugboote.
    Es gab zwei Fensternischen, die mit Tüchern verhängt waren. Durch die Ritzen an den Ecken aber drang goldenes Licht.
    Henrietta hörte Speck in der Pfanne zischen. Und jemand pfiff. Aus einem Loch im Dach stieg Rauch auf.
    Schnurstracks lief Henrietta auf die Hütte zu und blieb vor den Tuchvorhängen stehen. Sie atmete leise durch und versuchte ihren Hunger zu vergessen. Dann nahm sie das Tuch und zog es ein kleines Stück beiseite.

    Auf dem Lehmboden in der Mitte des Raumes stand eine riesige Bratpfanne auf einem Feuer. In

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