Fluch der Engel: Roman (German Edition)
leider nicht immer verlassen kann, fällt es mir manchmal schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Und wenn ich schon einen auf dämonische Wesen spezialisierten Racheengel zu Gast habe, würde ich gerne wissen, ob ich die richtigen Engel um mich versammelt habe.«
Sanctifer fasste in die Haare des vor ihm knienden Engels und zog seinen Kopf nach hinten, damit ich Massimo besser in die Augen sehen konnte.
»Massimo ist übrigens der Schutzengel deines italienischen Freundes«, erklärte Sanctifer selbstgefällig.
Massimo hatte Philippe verraten?! Mit einem Schlag war die heftige Wut wieder da.
»Dann scheint es wohl eine Gewohnheit von ihm zu sein, seine Aufgaben zu vernachlässigen.«
»Du meinst also, dass ich Massimo bestrafen soll?« Sanctifer ließ nicht locker. Er wollte, dass ich das Urteil fällte.
»Ja«, bestätigte ich, obwohl ich wusste, dass ich besser nein gesagt hätte.
Noch bevor einer von Sanctifers dunklen Engeln reagierenkonnte, sprang Massimo auf, riss Raffael aus seinem Stuhl und legte ihm eine Hand um die Kehle.
»Lass mich gehen, oder er stirbt!« Gemeinsam mit Raffael, den er wie einen Schutzschild vor sich her zerrte, drängte sich Massimo an Sanctifer und mir vorbei Richtung Treppe. »Pfeif deine Monster zurück«, brüllte er und wies auf Gabriella und die Meute dunkler Engel, die in Lauerstellung auf Sanctifers Befehl wartete. Anscheinend konnten oder durften auch die lederflügeligen Engel in Sanctifers Gegenwart keine eigenen Entscheidungen treffen – vermutlich beides. Sanctifer würde sich niemals den Gefahren unberechenbarer Kreaturen aussetzen, höchstens er kontrollierte sie.
»So eigenwillig«, seufzte Sanctifer mit Blick auf Massimo. »Ein Wesenszug, der leider verlorengeht.«
Bring ihn mir! Sanctifers stummer Befehl erreichte auch mich.
Mit einem Sprung stand ich vor Raffael. In Gabriellas seelenlosen Augen glomm eine Bösartigkeit, die nicht nur mir galt. Meine Flügel drängten hervor, ich hielt dagegen und erlaubte nur meinen Klauen, sich zu zeigen. Der Schmerz war erträglich. Viel schwieriger war es, die dunkle Wut in mir in den Griff zu bekommen. Sanctifer hatte Gabriella nicht nur die Seele geraubt, sondern ihr alles genommen. Der Schatten vor mir besaß weder ein Gewissen noch einen eigenen Willen – er war bloß noch eine von Sanctifers skrupellosen Marionetten.
Raffael reagierte, bevor ich die Entscheidung fällen konnte, ob ich meine Klauen in Sanctifers oder Gabriellas Herz schlagen sollte. Mit einem Tritt befreite er sich aus Massimos Umklammerung und schob mich auf die zwei geflügelten Steinlöwen zu, die den unteren Zugang zur Treppe flankierten.
Massimo setzte nach, doch Gabriella war schneller und versperrte ihm den Weg. Sein einziger Fluchtweg führte an mir vorbei.
Seine Angst vor dem Schatten war größer als die vor mir. Trotz meiner Klauen stürzte sich Massimo auf mich – ich war die Geisel in Greifweite. Sanctifer war unerreichbar. Bestens geschützt vonseinen dunklen Engeln, verfolgte er Massimos Fluchtversuch. Erst als ich genauer hinsah, bemerkte ich, wie viel Konzentration ihm seine Geschöpfe abverlangten. Als Puppenspieler zu agieren, der einen Schatten in den Kampf schickt, anstatt selbst Hand anzulegen, und nebenbei noch sechs dunkle Engel um sich schart, schien anstrengend zu sein. Wenn ich fliehen wollte, dann musste ich jetzt handeln, solange Sanctifer mit Massimo beschäftigt war.
Ich versuchte, den einstigen Schutzengel abzuschütteln, ohne ihn mit meinen Klauen zu verletzen. Massimo drückte nur noch stärker zu und drängte mich zum Ausgang. Sein Klammergriff raubte mir den Atem.
»Richte ihn!« Sanctifers Stimme dröhnte bösartig durch den farbenprächtigen Saal.
Schlammgrüne Augen glühten auf. Gabriellas Gier verstärkte sich. Eisige Kälte begleitete sie. Ihre Dunkelheit erreichte mich – und ihr Verlangen, etwas zu töten, wurde meines.
Massimo schrie, als schwarze Klauen seinen Körper durchbohrten. Gabriella war mir zuvorgekommen. Ich knurrte vor Wut und stellte mich ihr entgegen. Raffael stieß mich beiseite. In seinen Augen lag blankes Entsetzen.
Teilnahmslos sank Massimo in sich zusammen. Angst und Schmerz lähmten ihn. Gabriellas Klauen steckten noch immer zwischen seinen Schultern, und auch ich spürte die Macht, mit der sie ihm seine Engelsmagie entzog. Er stöhnte gequält, als seine Flügel durchbrachen. Rein und weiß wie frischer Schnee warfen sie einen hellen Schimmer auf Gabriellas fahlgraues
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