Fluch der Engel: Roman (German Edition)
meine verletzten Klauen. Inzwischen pochte ein unerträglicher Schmerz in ihnen – doch das war nichts im Vergleich mit dem, den ich in meinem Herzen fühlte.
Gabriellas klauenbesetzte Hände bohrten sich in meine Oberarme und rissen mich weg von der Wand. Ich presste meine Zähnezusammen und verbiss meinen Schrei. Ich wollte nicht, dass Paul seine Deckung verließ, um mir zu Hilfe zu eilen. Ein leises Wimmern kam trotzdem über meine Lippen.
Christophers Pupillen weiteten sich. Rot verdrängte das Grün. Ich schloss die Augen. Zuzusehen, wie sein dämonisches Erbe den Engel, den ich liebte, in ein Monster verwandelte, dazu fehlte mir die Kraft.
Übelkeiterregend schnell riss Gabriella ihre Klauen aus meinen Armen. Ich geriet aus dem Gleichgewicht, schwankte und taumelte zurück. Um meine Flügel zu schützen, versuchte ich, mich an der Wand hinter mir abzufangen. Meine durchtrennten Klauen streiften über das raue Mauerwerk. Der Schmerz explodierte. Aufziehende Schleier vernebelten meine Sicht und trieben mich an den Rand einer Ohnmacht.
Pauls Kopf erschien außerhalb des geschützten Bereichs. Hatte ich so laut geschrien?
Rote Augen funkelten gierig. Gabriella würde weder mich noch ihn entkommen lassen.
Ich schob die schwarzen Schleier beiseite und drückte mich von der Wand ab. Wenigstens Paul wollte ich in Sicherheit wissen. Vielleicht gelang es ihm, in die Basilika zu flüchten, solange die beiden Schatten noch mit mir beschäftigt waren.
Ich brachte gerade noch ein »Lauf los, Paul!« über die Lippen, bevor Christopher zwischen mir und Gabriella stand.
Ein wütender Racheengel konnte furchterregend sein, ein zorniger Schatten war beispiellos. Christophers Schwingen blitzten unheilverkündend. Er stand keine Armlänge von mir entfernt – und ich fühlte eine Angst, wie ich sie noch nie in meinem Leben gespürt hatte. Mit eisiger Faust griff seine Finsternis nach meiner Seele. Die Dunkelheit hasste meine Liebe zu ihm.
Anstatt zu zerbrechen, erreichte mein eigener Zorn schwindelerregende Abgründe. Der Schatten in mir erhob sich aufs Neue. Doch ich hatte nicht vor ein paar Minuten den Engel in mir angenommen, um kurz darauf ein dämonisches Monster zu werden.
Gabriella sah meine Wut, Christopher spürte sie – und sie wurde zu seiner. Und trotz seines maßlosen Zorns erkannte ich den Engel in ihm. Fühlte, dass er noch nicht verloren war, als sein Schwert erschien. Doch zugleich sah ich, wie viel Dunkelheit ihn umgab und wie dicht er davorstand, sich für immer zu verlieren.
Christophers einst so reines Schwert war durchzogen von hässlich schwarzen Schlieren. Als es herabsauste, schloss ich die Augen.
Ein bösartiges Zischen erschütterte den Kerker. Gabriella war Christophers Schwerthieb entkommen. Zwei monströse Wesen standen sich jetzt gegenüber – und jedes von ihnen war bereit, das andere zu töten.
Obwohl Christopher Gabriella an Größe überlegen war, erkannte ich schnell, dass er unterliegen würde. Christopher war weder Engel noch Schatten, besaß weder die Stärke seiner Engelseele noch die Macht der Dunkelheit, wie Gabriella sie in sich trug. Allzu leicht drängte sie Christopher dorthin, wo sie ihn haben wollte – weg von mir.
Doch ich würde nicht angstzerfressen in einer Ecke kauern und zusehen, wie zwei dämonische Schatten einen Kampf auf Leben und Tod austrugen. Selbst mit abgeschlagenen Klauen konnte ich ein Schwert halten.
Aber sosehr ich es mir auch wünschte, es gelang mir nicht, eine Waffe zu weben. Ich wusste, ich konnte es, und dennoch versagte ich. Mitzuerleben, wie Christophers Seele von Dunkelheit aufgesogen wurde, zehrte mich auf und schwächte meine Zuversicht.
Christophers wütendes Brüllen ließ mich zusammenzucken. Ein dunkler Streifen erschien quer über seiner Brust. Alles in mir kam zum Stillstand. Gabriellas Treffer hatte sein Herz nur um Zentimeter verfehlt. Wenn ich ihn retten wollte, brauchte ich eine Waffe. Jetzt!
Eine Bewegung hinter den kämpfenden Schatten erregte meine Aufmerksamkeit. Paul hatte sich Lucias Beine geschnappt, um das bewusstlose Mädchen in den Zellentrakt zu ziehen. Es war ihm anzusehen, dass der Schnitt in seinem Flügel ihn quälte.
Ich fluchte, weil er sich noch immer hier unten herumtrieb, und hoffte inständig, dass er wenigstens bei Lucia bleiben würde. Doch keine Sekunde später stand Paul wieder vor der schützenden Barriere und gab mir Zeichen, dass auch ich mich in Sicherheit bringen sollte.
Ich schüttelte den
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