Fluch der Engel: Roman (German Edition)
wenigstens klug genug, hinter der Barriere zu bleiben.
Mit der Selbstsicherheit eines überlegenen Geschöpfes und der Hässlichkeit ihres dämonischen Wesens visierte Gabriella meinen Freund an. Allzu begehrlich bohrten sich ihre seelenlosen Augen in seine. Ich wollte ihn warnen, doch es war schon zu spät. Pauls Pupillen zogen sich bereits zusammen.
Erschrocken keuchte er auf. Als sich Gabriellas Kälte über ihm ausbreitete, konnte er ein Zittern nicht länger unterdrücken. Selbst sein Schwert bebte.
Niemand würde ihm einen Vorwurf machen, wenn er sich jetzt einfach in Luft auflöste. Doch anstatt vor dem fahlen, mit zahllosen Adern überzogenen Monster in die Knie zu gehen, nahm Paul all seinen Mut zusammen. Mit einem beherzten Schrei durchbrach er für den Bruchteil einer Sekunde die äußere Barriere und zielte mit seinem Schwert auf die schwarz glänzenden Flügel des einstigen Engels.
Gabriella reagierte zu spät – und brüllte vor Wut. Fahlgraue Nebeltröpfchen stiegen auf, doch Pauls Schwert hatte nur einen schmalen Kratzer auf ihrer Schulter hinterlassen. Zu wenig, um sie zu schwächen, aber genug, um ihren Zorn zu schüren.
Die gigantischen Schwingen des Schattens zuckten in unheilverkündendem Pechrabenschwarz. Die seelenlosen Augen glühten in Rot, als ein milchig trüb leuchtendes Schwert in ihren Klauenhänden aufblitzte. Bodenloser Zorn erfasste den einstigen Racheengel. Sie wollte Paul töten – und ich sie.
Verzweifelt trat ich gegen die Gitterstäbe der Zellentür. Natürlich blieben sie unversehrt. Schließlich war das Gefängnis dafürgebaut, einen Schatten zurückzuhalten. Einem tobenden Racheengel hielt es mühelos stand.
Mit einer nachlässigen Bewegung befreite sich Gabriella von ihrem Anhängsel. Dass Lucia gegen die nächste Wand prallte und nach einem schmerzerfüllten Wimmern das Bewusstsein verlor, kümmerte sie nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Paul.
»Bleib hier! Sie manipuliert dich!«, rief ich, als ich die Kälte spürte, mit der sie versuchte, Paul vor die dämonenabwehrende Versiegelung zu locken. Meine Warnung verlor sich irgendwo zwischen den sieben Barrieren.
Entschlossen, mich vor dem Schattenengel zu beschützen, durchbrach Paul erneut die Blockade und stieß ein weiteres Mal zu. Entweder ging gerade sein Schutzengelinstinkt mit ihm durch oder all seine Sicherungen waren durchgebrannt – vermutlich Letzteres.
Gabriella erkannte ihre Chance. Mit der Präzision einer geübten Kämpferin spaltete ihr milchig trübes Schwert Pauls linken Flügel – ich schäumte vor Zorn.
Paul ging zu Boden. Sein Schrei hallte durch die Krypta. Er litt Höllenqualen, und trotzdem kämpfte er weiter. Allerdings war er klug genug, Gabriella nicht noch einmal anzugreifen. Auch ihm war inzwischen klar, dass er gegen das Monster nur verlieren konnte.
So schnell, wie sein aufgeschlitzter Flügel es zuließ, schob er sich zurück, um sich hinter dem Siegel in Sicherheit zu bringen. Gabriella griff nach seinem Bein, doch Paul ahnte, was sie vorhatte. Mit einer Rolle über die Schulter entging er den Klauen des Monsters und durchbrach die äußere Barriere. Sein gequältes Gesicht und die zusammengebissenen Zähne machten mich rasend. Erbittert rüttelte ich an der Tür meiner Zelle – zerrissene Flügel schmerzten gigantisch, auch ohne dass sie über den Boden rollten.
Tapfer kämpfte Paul sich weiter, brachte eine Barriere nach der anderen zwischen sich und den erzürnten Schatten. Schließichblieb er völlig entkräftet vor meiner Zellentür liegen und versuchte sich an einem Grinsen.
»Ich hätte auf dich hören und hierbleiben sollen. Die Barrieren beschützen dich besser als ich mit meinem Schwert«, presste Paul zwischen zwei langen Atempausen hervor. Wenigstens er konnte wieder klar denken. Denn für mich gab es nur noch ein Ziel: Gabriellas Dasein ein Ende zu setzen.
Der Kampf zwischen ihr und Paul hatte meine menschliche Seite zum Schweigen und den Racheengel zum Brennen gebracht. Wesen wie ich waren nicht dazu geschaffen, Ruhe zu bewahren, sondern dämonische Monster zu töten.
Gabriellas schlammfarbene Augen glühten erneut rot auf. Sie hatte den Mechanismus entriegelt, der meine Zelle verschloss. Sie sah, dass ich brannte, und entblößte ihre rotgeäderten Zähne. Sie grinste! – Eine ganze Flut eisiger Schauder lief durch mich hindurch.
Ich wusste, dass ich besser in meiner Zelle bleiben sollte. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob meine Engelskräfte
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