Fluch der Engel: Roman (German Edition)
die Konsequenzen übersah? So naiv? Oder einfach zu verliebt? – Zu selbstsüchtig?
Arons Hände legten sich auf meine Schultern. »Was bist du bereit, zu tun?«, fragte er, nachdem er mich zu sich umgedreht hatte.
»Alles!«
Dieses Mal hielt ich seinem forschenden Blick stand. Meine Seele vor Aron zu entblättern beunruhigte mich nicht mehr. Außer ihm und Christopher gab es niemanden, dem ich das jemals erlauben würde. Ich vertraute Aron ebenso sehr wie dem Engel, den ich über alles liebte.
»Wenn ich dir gestatte, zu Sanctifer zu gehen, muss ich sicher sein, dich als Engel wiederzusehen. Dass deine Seele unverletzt bleibt, kann ich dir allerdings nicht versprechen. Sanctifer wird sich wohl kaum nur mit deiner menschlichen Seite zufriedengeben. Doch das Risiko, deine Schattengestalt anzunehmen, musst du eingehen, wenn du Christopher retten willst.«
»Dazu bin ich bereit.«
»Weil du glaubst, du könntest dich seinem Befehl widersetzen. Aber wirst du das auch, wenn Sanctifer dich in deinen Schatten zwingt? Wenn er dich quält? Wenn er droht, dich zu foltern, falls du dich weigerst?«
Grauenhafte Bilder stürmten auf mich ein. Schmerzverzerrte Schreie hallten durch ein düsteres Gefängnis. Die Bilder, wie Sanctifer Christopher in seine Schattengestalt zwang, waren wieder da. Aron wusste so gut wie ich, dass ich mich Sanctifers Willen beugen würde.
»Ich weiß nicht, was er mit dir vorhat, wo er doch Christopher haben könnte, allerhöchstens …« Aron erstarrte. Fassungslosigkeit breitete sich auf seinem Gesicht aus. Schnell – aber nicht schnell genug – wandte er sich ab. Ich stürzte ihm nach und klammerte mich an seinen Arm.
»Was? Sag es mir!«, flehte ich. Arons Entsetzen machte mir Angst.
»Wenn Christopher jemals erfährt, dass du mit Sanctifer einen Pakt geschlossen hast und bei ihm bist, um ihn einzulösen, wird er alles tun, um dich dort rauszuholen. Kein Gesetz könnte Christopher davon abbringen, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, um dich zu befreien. Allein der Zirkel der Racheengel wäre mächtig genug, ihn aufzuhalten.«
»Was bedeuten würde, dass er …« Meine Stimme versagte. Ein Engel, der die Gesetze übertrat und tötete, war zum Sterben verurteilt. Nagual und die anderen Racheengel würden Christopher jagen, um ihn dem Rat auszuliefern. Und Sanctifer, der Scharfrichter der Dogin, könnte ihm ungestraft seine Flügel nehmen und sein Herz zerstören.
Egal, ob Christopher die Gesetze übertrat oder meine Stelle einnahm und zu einem Schattenengel wurde, Sanctifer würde ihm seine Seele rauben.
Eine Träne entkam meiner Kontrolle. Es gab nur eine Möglichkeit, wie ich verhindern konnte, dass Christopher starb oder fürewig ein Monster sein würde. Denn eines hatte Sanctifer übersehen: Ohne mich war der Pakt hinfällig.
Arons granitgraue Augen versteinerten, als ich ihn bat, mir das Leben zu nehmen. Sein Entsetzen stand seiner darauffolgenden Wut in nichts nach, als mir eine weitere Träne entschlüpfte. Seine Hände malträtierten meine Arme, während er mich festhielt, damit ich seinem mörderischen Blick nicht ausweichen konnte.
»Du egoistisches Stück Racheengel! Wie soll ich dir dein Herz nehmen, wenn du gar keines besitzt?! Offenbar habe ich mich völlig in dir getäuscht. Du bittest mich, dir deine Seele zu nehmen? Mit Tränen im Gesicht, damit ich Mitleid mit dir habe?!« Aufgebracht wandte er sich von mir ab.
»Nein, das … Aron, wenn du … Ich kann auch einen anderen Engel darum bitten.«
»Untersteh dich!« Arons Stimme hallte zwischen den Wänden der Mühle wider. Mit zu Fäusten geballten Händen kehrte er mir den Rücken zu und starrte ins Feuer. Seine angespannte Körperhaltung verriet, dass er seine verbale Lektion am liebsten mit einem spürbaren Zeichen unterstrichen hätte. Dass er seine Beherrschung behielt, verdankte ich entweder seiner guten Erziehung oder seiner ausgeprägten Menschenkenntnis.
»Hast du nicht an die Konsequenzen gedacht?! Oder ist es dir egal, was du mit deinem Tod auslöst?«
Vor meinem inneren Auge zeichnete sich Christophers Gestalt ab. Leblose Augen in einem gebrochenen Körper. Er würde mit mir sterben. Vielleicht nicht körperlich, doch die Liebe in seinem Herzen würde erlöschen.
»Christopher würde lieber für immer zum Monster werden, als dich zu verlieren«, vertiefte Aron die frisch geschlagene Wunde. »Aber das wäre nur das Problem eines Einzelnen. Der Machtkampf, wer den nächsten Racheengel ausbilden darf,
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