Fluch der Engel: Roman (German Edition)
würde die bestehende Ordnung gefährden. Dein Tod würde nicht nur Christopher schwächen, sondern alle, die auf seiner Seite stehen. Sanctifers Einfluss, von dem er als Mitglied des Rats ohnehin schon vielzu viel besitzt, würde weiter steigen. Die Folgen wären unabsehbar.«
Aron brachte mich am nächsten Tag zu Christopher ins Internat zurück. Ihn dort vor der alten Mauer am See unversehrt vor mir stehen zu sehen schnürte mir das Herz zusammen. Sanctifers Pakt zu akzeptieren würde mir alles nehmen, was ich brauchte. Doch gleichzeitig würde es das Leben schützen, das mir diese Sicherheit gab.
»Was hast du?« Christopher schob mich ein wenig von sich. Die alte Steinmauer in meinem Rücken schenkte mir Halt. Er kannte mich viel zu gut, um sich etwas vormachen zu lassen. Sein Blick fiel auf meine Hände und die künstlichen Fingernägel, die Aron – neben meiner desolaten Gemütsverfassung – den halben Sonntagvormittag aufpoliert hatte.
Ich hatte ihm geschworen, Christopher nichts von meinem Treffen mit Sanctifer und dem Pakt zu verraten – zumindest vorerst nicht. Auch er war der Meinung, damit Christopher auf dem schnellsten Weg in die Arme seines einstigen Mentors zu treiben. Doch schon jetzt quälte mich mein schlechtes Gewissen. Vor Christopher ein Geheimnis zu verbergen, das ich einem anderen Engel anvertraut hatte, fiel mir unendlich schwer.
»Nichts«, log ich, entzog meine Finger Christophers kritischer Begutachtung und kuschelte mich wieder an ihn. Einen kurzen Moment gestattete er mir, Zuflucht in seinen Armen zu finden, bevor er mein Kinn anhob, damit er mir in die Augen schauen konnte.
»Und warum bebst du dann vor Anspannung?«
»Ich bebe nicht, ich zittere! Du hast mich in dieser blöden Windmühle eingeschlossen und behauptet, du wärst gleich wieder da! Abgesehen davon, ist es hier unten am See ziemlich frisch.« Streiten war einfacher als lügen, auch wenn ich Christophers Blick dabei ausweichen musste.
»Dich in der Mühle zu lassen war vernünftig. Dort war es amsichersten für dich.« Behutsam ließ Christopher eine Hand durch meine Haare gleiten.
»Und du glaubst, ein paar Streicheleinheiten würden genügen, um mich zu beruhigen? Aron hat mir erzählt, was dich aufgehalten hat. Doch im Gegensatz zu ihm hältst du es offenbar nicht für nötig, auch mir die Wahrheit zu erzählen.«
Eigentlich hätte ich an meinem letzten Satz ersticken müssen, doch er half, um Christopher von mir und meinen kaschierten Nägeln abzulenken. Seiner Miene nach zu urteilen, gefiel es ihm überhaupt nicht, dass ich über seinen Ausflug Bescheid wusste. Dennoch ging er auf meinen Vorwurf ein.
»Was genau möchtest du wissen? Wie ich es aufgestöbert, überlistet oder zur Strecke gebracht habe?« Seine Augen leuchteten in hellstem Jadegrün, als er begann, zwischen dem Ufer und der Seemauer auf und ab zu gehen. Der Rest von ihm blieb ruhig und gelassen – und gerade das verursachte mir Gänsehaut. Ich kannte Christophers kämpferische Seite, doch der Racheengel, der im Auftrag der Dogin handelte, war mir fremd.
Christophers Kiefermuskeln zeichneten sich in seinem kantigen Gesicht ab – wie jedes Mal, wenn ihm wieder einfiel, dass sein Kuss mich zum Racheengel gemacht hatte. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen, um ihm zu versichern, dass ich kein Problem mit dem kriegerischen Teil meiner Engelseite hatte. Doch Christopher wusste, dass das nicht stimmte. Also entschied ich mich für ein Ablenkungsmanöver.
»Es ist mir egal, wie du es besiegt hast. Ich will nur wissen, was du bekämpft hast.«
Christophers Kiefer malmte weiter. Offenbar gefiel ihm diese Frage auch nicht besser. »Was genau hat Aron dir erzählt?«
»Warum? Beeinflusst mein Wissensstand die Art deiner Antwort?«
»Nein, nur die Ausführlichkeit.« Christophers Stimme klang rau. Es widerstrebte ihm, mir zu erzählen, was er die letzten beiden Tage gemacht hatte, weil auch ich das eines Tages tun sollte.»Er war noch keine hundert Jahre alt. Eine ungewöhnlich kurze Zeitspanne für einen Engel, um seine Seele zu verlieren.«
»Hast du ihn gekannt?«
»Ja. Er war einst Schüler hier im Schloss. Deshalb hat Nagual mich gebeten, ihn zu unterstützen.«
Nagual, der Racheengel mit den goldenen Augen, hatte Christopher um Hilfe gebeten? Selbst für mich hörte sich das wenig überzeugend an. Dennoch hatte Christopher nicht gezögert, seiner Bitte nachzukommen.
»Und … und wie hat er seine Seele verloren?«
»Indem er
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