Fluch der Engel: Roman (German Edition)
sie zerstört hat. Obwohl normale Engel einen wesentlich kleineren Teil als wir Racheengel besitzen, können auch sie ihrem dämonischen Erbe erliegen.«
Christopher blieb stehen. Sorgenfalten erschienen auf seiner Stirn. »Was ihn jedoch dazu verleitet hat, sich an mehr als zwei Menschen zu binden, kann ich dir nicht sagen. Er wusste, dass jede weitere Bindung seine Seele gefährden und ihn in den Wahnsinn treiben würde. Am Ende hat er nicht nur ihr Blut, sondern auch ihr Leben genommen.«
Christopher wandte sich ab und starrte über den See. Seine Gedanken weilten bei dem Engel, der einst ein Engelschüler gewesen war. Doch in mir rief seine Erklärung eine andere Erinnerung wach. Auch wenn es Raffael war, der den vergifteten Gedanken gepflanzt hatte.
»Warum ist es ebenso gefährlich, nur an einen Menschen gebunden zu sein, wie an zu viele?«
»Weil Engel sich nur dann an einen Menschen binden dürfen, wenn sie bereit sind, mindestens einen von ihnen in seiner Welt zu beschützen.«
»Was sie verletzbar macht, weil sie ihre Engelskräfte nicht einsetzen dürfen«, folgerte ich.
»Ja und nein.« Deutlich spürte ich Christophers Unbehagen. »Wir können in der Welt der Menschen Engelsmagie nur sehr begrenzt weben. Deshalb ist es uns auch nicht möglich, dort Engelswaffenzu erschaffen. Aber wir können uns durchaus einem Messer in den Weg stellen, um unseren Protegé zu beschützen.«
Langsam begann ich zu verstehen, worauf das hinauslief. »Also ist er so eine Art Schutzengel zum Anfassen, der nicht nur spürt, wenn sein Protegé etwas Dummes tut, sondern sich auch für ihn aufopfert.«
»Das war der Grundgedanke«, räumte Christopher ein.
»Und weil ein Engel ja nicht sterben kann, solange er noch Flügel hat …« Ich verstummte. Christophers Miene verriet mir, dass ich falschlag.
»Stirbt der Protegé, stirbt auch der an ihn gebundene Engel, falls er sich zu diesem Zeitpunkt in der Menschenwelt aufhält und nur an einen Menschen gebunden ist. Denn dann gibt es nichts mehr, das dort seine Seele am Leben erhält«, bestätigte Christopher meinen Verdacht.
Obwohl ich gegen meine Eifersucht ankämpfte, war der Satz über meine Lippen, bevor ich ihn zurückdrängen konnte. »Und, kenne ich deinen zweiten Schützling?«
Christopher presste für einen kurzen Moment seine Lippen zu einem schmalen Strich – ich hätte besser nicht nachgefragt. »Nein. Und du wirst ihn auch niemals kennenlernen. Ich bin kein Schutzengel und hatte niemals vor, mich an mehr als einen Menschen zu binden.«
»Du stirbst, wenn mir etwas passiert?!« Mein Blut stockte in Sekundenschnelle, als ich begriff, was das bedeutete. Kalte Angst kroch meine Kehle empor. Christopher bei mir zu haben war viel zu gefährlich. Er musste zurück in die Welt der Engel – dorthin, wo wir uns nicht sehen durften.
»Hast du vergessen, dass du ein Engel bist?«, antwortete er mit seiner sanften Einlullstimme, als er meine Furcht bemerkte.
»Nein, aber …« Mein Verstand raste weiter und fand endlich die Lücke. »Aber als ich noch menschlich war …«
»Doch das bist du nicht mehr«, fiel Christopher mir ins Wort, bevor er mich in seine Arme nahm und mit dem Daumen die Faltenauf meiner Stirn nachzog. Dieses Mal hielt ich ihn auf Abstand. Seine Antwort erklärte nicht, warum er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
»Warum bist du keine zweite Bindung eingegangen? Du gehörst nicht unbedingt zu den Engeln, die keine Feinde haben.«
»Kannst du dir das nicht denken?«, fragte er leise, während er die Konturen meines Gesichts nachzeichnete und mir beim Begreifen zuschaute: Es hätte ihm nichts ausgemacht, mit mir zu sterben.
Kapitel 9
Flügelblitzen
W ie jeden Abend erwartete Aron mich in der großen Eingangshalle. Allerdings war er heute nicht allein. Susan stand neben ihm. Ihre strahlend blauen Augen, mit denen sie ihn eindeutig anhimmelte, trübten sich, als sie mich entdeckte. Abneigung, vielleicht auch Verachtung, ganz sicher aber Eifersucht spiegelten sich in ihnen.
Ich murmelte ein »Ich warte draußen« und flüchtete durch die schwere Eichentür in die Dunkelheit der Nacht. In Sachen Liebe wollte ich niemandem im Weg stehen. Ich produzierte schon genügend andere Probleme.
Aron stöberte mich an der Seemauer auf. Der Frühlingswind trieb den Duft von Tulpen, Narzissen und Blaustern zu mir. Brütende Wasservögel raschelten leise im Schilf. Alles hätte so schön sein können, wenn Christopher und nicht Aron mir in die Augen
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