Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Verantwortung zog.
»Hattest du jemals vor, mit der Wahrheit herauszurücken? Oder verdanke ich dein Geständnis nur deiner Gedankenlosigkeit, Sanctifers Namen zu erwähnen?«
»Aron, ich … bitte, ich hab einen Fehler gemacht.«
»Einen?!« Aron wandte sich ab, um seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Noch nie hatte ich ihn so wütend erlebt. Selbst als ich ihm einen Dolch zwischen die Rippen gestoßen hatte, war er halbwegs gelassen geblieben. Dass ich manchmal ein wenig schwierig war, stellte für ihn kein Problem dar, Unaufrichtigkeit dagegen schon.
Ein feuchter Schleier begann vor meinen Augen zu tanzen. Die Angst, Arons Freundschaft zu verlieren, schmerzte mehr, als ich dachte. Er hatte mir vertraut, hätte mir geholfen, sogar gegen einen so mächtigen Engel wie Sanctifer – doch ich war zu blöd, das zu erkennen.
»Kannst du mich zu ihm bringen?« Entschlossen blinzelte ich meine Tränen weg. Racheengel weinten nicht, sie kämpften.
»Zu wem?«, fragte Aron gefährlich langsam.
»Zu Sanctifer. Schließlich habe ich den Pakt besiegelt und nicht Christopher. Oder siehst du das anders?«
»Nein«, gab Aron zu und begann in der Mühle hin und her zu gehen, um sich abzureagieren. »Sanctifer hat dir die Wahrheit erzählt. Auch wenn du den Pakt nicht gerade freiwillig eingegangen bist, indem du den Dolch angenommen und den Tunnel zum Schloss der Engel genommen hast, wurde er von dir in gewisser Weise bestätigt.« Unvermittelt blieb er vor mir stehen.
»Ich hätte auf Christopher hören sollen. Er hat mich gewarnt,dass Sanctifer nach den Prüfungen nicht aufgeben würde, dein Tutorat anzustreben. Doch ich hätte niemals gedacht, dass du so leichtsinnig sein würdest, dich noch mal auf ihn einzulassen.«
»Er hat gedroht, Philippe zu einem Flüsterer zu machen!«, verteidigte ich mich.
»Und du glaubst, wenn du auf Sanctifers Bedingungen eingehst, wäre dein Freund in Sicherheit?« Aron quittierte mein Schweigen mit einem Kopfnicken und verfiel wieder in sein Auf und Ab. »Solange Sanctifer die Gesetze nur vollzog, bestand kaum die Gefahr, dass die Dogin ihm jemals Gehör schenken würde. Doch inzwischen ist er ein Mitglied des Rats. Bei einer Anhörung stehen seine Chancen hervorragend, den Pakt anerkennen zu lassen – deine dagegen sind gering. Einem Racheengel vertrauen nur wenige.« Arons anklagender Blick schmerzte. Als Tutor und Freund hatte er Ehrlichkeit verdient – doch ich war mit seinen Erwartungen allzu leichtfertig umgegangen.
»Und wenn ich den Rat davon überzeuge, dass Christopher wichtiger ist als eine Racheengelnovizin?«
Aron blieb stehen und stemmte seine Arme in die Hüften. Sein Misstrauen war greifbar. »Wozu sollte das gut sein?«
»Damit ich meine Schuld bei Sanctifer begleiche und nicht Christopher.«
»Was ihm, als an dich gebundenem Engel, durchaus möglich wäre«, bestätigte Aron. Sein Blick wanderte nach innen, rief Vergangenes wach und erstarrte für einen kurzen Moment, bevor er sich abwandte. Offenbar wollte er nicht, dass ich das Entsetzen in seinen Augen sah.
Arons Grauen schubste mich an den Rand meiner Belastbarkeit. Mein Körper schmerzte von der vergeblichen Kletterei, meine geknickten Flügel malträtierten meinen Rücken und meine geschundenen Nagelbetten brannten, als hätte ich meine Finger mit Schwefelsäure lackiert. Doch verglichen mit der Angst um Christopher und der Reue, die ich empfand, wog der körperliche Schmerz nur wenig.
Eine Träne kullerte meine Wange hinab. Ich wischte sie beiseite. Aron mit Tränen zu überzeugen fühlte sich mies an. Doch ich brauchte ihn, wenn ich Christopher davon abhalten wollte, zu Sanctifer zu gehen.
»Sanctifer wird ihn in seine Schattengestalt zwingen, um sich zu rächen, weil Christopher ihn als Tutor zurückgewiesen hat – und weil er weiß, wie schwer es Christopher fällt, ein Monster zu sein«, begann ich, Aron zu überzeugen, lieber mich zu schicken.
»Und zu bleiben«, ergänzte Aron. »Nach einem Jahr in seiner Gewalt würde Christopher nicht wieder zurückfinden. Schon beim letzten Mal hatte er Mühe, sich wieder in einen Engel zu verwandeln, obwohl er seine Menschlichkeit nur für ein paar Stunden aufgegeben hatte.«
Christophers Schattengestalt zeichnete sich vor meinen Augen ab. Ich würde ihn verlieren, ein diabolisches Monster aus ihm machen. Verzweifelt verbarg ich mein Gesicht in den Händen, um meine Tränen aufzufangen.
Warum hatte ich Sanctifers Dolch genommen? War ich so blind, dass ich
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