Fluch der Engel: Roman (German Edition)
quittierten. Der Schmerz, als Teile meiner Nägel in dem rauen Holz stecken blieben, war bösartig. Meine Landung erbärmlich. Geschlagen gab ich auf.
Die Windmühle war zu meinem Gefängnis geworden. Christopher hatte mich eingeschlossen, weil er mich in Sicherheit wissen wollte – oder sicherstellen, dass ich ihm nicht folgen konnte. Letztendlich war es egal. Er war verschwunden, und ich saß allein in diesem unbezwingbaren Turm: wie Rapunzel. Sie konnte nicht nach unten, um ihrer Gefangenschaft zu entkommen, und ich nicht nach oben.
Kapitel 8
Aussichtslos
A ron fand mich. Entkräftet vom Klettern und gequält von Wachträumen saß ich mit geknickten Flügeln und angezogenen Beinen auf dem Boden und beobachtete die erlöschende Glut. Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen, als er meine geschundenen Hände entdeckte. Ich wollte sie nicht vor ihm verbergen. Ich war es leid, ihm etwas vorzumachen.
»Er ist bei ihm. Nicht wahr?«, fragte ich leise.
»Bedauerlicherweise kann ich deinem Gedankengang nicht ganz folgen. Aber falls du Christopher meinst, der lässt sich entschuldigen. Er wurde aufgehalten«, erklärte Aron eine Spur zu ruhig.
»Ich weiß«, antwortete ich und starrte wieder in die Glut.
»Dann bist du besser informiert als ich. Wobei ich mich frage, woher du deine Auskünfte beziehst. Offensichtlich verbirgst du mehr Geheimnisse vor mir, als ich dachte.«
Mein Kopf schnellte hoch. Ich begegnete kalten Augen in einer versteinerten Miene.
»Beim nächsten Mal solltest du deine nassen Kleider und das Wächterband in einem der Kanäle versenken und nicht hinter den Handtüchern im Badschrank verstecken.« Arons Gelassenheit jagte mir Angst ein. Seine Wut brodelte unter einer erstarrten Oberfläche.
»Du wusstest, dass … dass ich weg war – und hast nichts gesagt?« Dass Aron mich nicht schon in Venedig zur Rede gestellt hatte, entsetzte mich mehr, als dass er meine Kleider gefunden hatte. Er hatte mir vertraut, auf meine Ehrlichkeit gesetzt – doch ich war stumm geblieben.
»Dich zu zwingen, mir zu erklären, wo du warst, um die Wahrheitaus dir herauszubekommen, erschien mir falsch. Zumal ein Racheengel mich auch in seiner Engelsgestalt belügen kann – wenn er weiß, was er tun muss«, schränkte Aron ein. Sein durchdringender Blick bohrte sich in mein Gesicht. »Was hast du in Venedig getan, wovon ich nichts erfahren soll?« Seinen stahlgrauen Augen zu entkommen, kostete unglaublich viel Kraft. Doch zuerst musste ich wissen, wo Christopher steckte.
»Was ist mit Christopher passiert?«
»Ich sagte dir doch schon, dass er aufgehalten wurde.«
»Und von wem?«, flüsterte ich. Aus Angst vor der Antwort zog sich gerade meine Kehle zusammen.
»Eher: von was .« Arons dunkle Augenbrauen berührten sich. Er wirkte abgestoßen. »Christopher erfüllt seine Aufgabe als Racheengel. Und das Wesen, dem er hinterherjagt, verdient die Bezeichnung Engel nicht mehr.«
»Sanctifer?«, fragte ich mit vor Panik erstickter Stimme.
»Nein, er hieß Maximilian.«
Arons Züge wurden undurchdringlich, als er mir den Stein vom Herzen nahm und gegen einen kleineren tauschte. Obwohl er mich jetzt ohne Zweifel so lange in diesem Turm festhalten würde, bis er alles aus mir herausgepresst hatte, und Christopher keineswegs in Sicherheit war, atmete ich ein wenig auf. Die größte Gefahr ging von Sanctifer aus. Doch bevor ich Aron Christophers Leben anvertraute, musste ich wissen, ob er bereit war, mir zu helfen.
»Wirst du mir verzeihen, wenn ich dir alles erzähle?«
»Du verlangst einen Blankoschein?!« Arons Wut kochte über. Erschrocken zuckte ich zusammen. Doch egal, wie hart er mich bestrafen würde, Aron musste wissen, in welcher Gefahr Christopher schwebte, weil Sanctifer mich zu sich holen wollte und ich nicht wusste, wie ich das verhindern konnte, ohne dass Christopher sich einmischte.
Aron unterbrach mich kein einziges Mal, als ich ihm erklärte, dass ich mich am Tag des Lichtmeerfestes zu Sanctifer geschlichen hatte, um Philippe in Sicherheit zu bringen. Auch bei der Erwähnungvon Sanctifers Folterkammer zeigte er keinerlei Regung. Schweigend hörte er sich meine Gründe an, warum ich niemandem von Sanctifers Brief erzählt hatte – selbst für mich klang die Idee, sich auf ein Tauschgeschäft mit Christophers einstigem Mentor einzulassen, inzwischen ziemlich töricht. Am Ende wagte ich es nicht mehr, ihm länger in die Augen zu sehen. Doch Aron ließ nicht zu, dass ich mich aus der
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