Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Dämonenstaub dich hätte töten können.«
»Mein Leben war niemals in Gefahr.« Raffaels Erwiderung kam zu schnell.
Ich schwieg. Dem für Menschen tödlichen Dämonenstaub wäre Raffael ohne meine Hilfe niemals entkommen. Selbst er musste das bemerkt haben. Aber offenbar war sein Vertrauen in Sanctifer viel zu groß, um die Wahrheit zu akzeptieren.
»Dann hoffe ich, dass das auch für mich gilt, wenn du mich gleich zu ihm bringst.«
»Wenn Sanctifer deinen Tod wollte, hätten das die Wachen für ihn erledigt, solange deine Hand im Löwenmaul gefangen war.« Ein leichtes Zucken blitzte um Raffaels Mundwinkel. Ob vor Entsetzen oder unterdrücktem Spott konnte ich nicht erkennen. »Aber wenn du zurück sein möchtest, bevor dein Freund etwas bemerkt, sollten wir uns besser beeilen.«
Ich nickte und versuchte, mit Raffael Schritt zu halten. Sein zufriedener Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich einen Fehler gemacht hatte und er jetzt sicher sein konnte, dass ich Christopher nichts von meinem Ausflug zu Sanctifer verraten hatte.
Kapitel 2
Auf Abwegen
R oyalblaue Augen musterten mich kaltherzig. Sanctifer registrierte selbst die kleinste Regung. Obwohl ich mich bemühte, mir mein Widerstreben nicht anmerken zu lassen, wusste er, was in mir vorging.
Verborgen hinter zwei kunstvoll aus Silber und Gold geschmiedeten Türen lag der faszinierendste und zugleich abstoßendste Raum, den ich je gesehen hatte. Wie im Dogenpalast offenbar üblich, strotzte es auch hier unten vor edlem Stuckwerk und natürlich Massen von Gold. Nur der Boden von Sanctifers Einschüchterungshalle unterschied sich von dem üblichen blank polierten Belag: Hier herrschte roter Basalt.
Meine Nackenhärchen richteten sich auf. Die Wahl der Farbe war nicht zufällig. Blut würde darauf keine unschönen Flecken hinterlassen. Ich zwang mich, Raffael zu folgen und weiter auf den wuchtigen Schreibtisch zuzugehen. Den Entschluss, Philippe aus Sanctifers Obhut zu befreien, hatte ich nicht aus einer Laune heraus gefasst. Mir war klar, mit wem ich mich einließ. Dass ich inzwischen ein offiziell anerkannter Racheengelnovize war, schenkte mir das nötige Selbstvertrauen, das irgendwie hinzubekommen.
Obwohl ich wusste, dass ich Sanctifer nicht aus den Augen lassen sollte, wanderte mein Blick unwillkürlich durch den so perfekt gestalteten Raum. Die Gemälde in den wuchtigen Goldrahmen raubten mir den Atem – nicht, weil sie besonders schön waren, sondern aufgrund der perfiden Darstellungen. Engel, kniend, in Ketten mit gebeugten Häuptern, warteten vor einem mit pechschwarzen Masken und ebenso dunklen Mänteln verhüllten Gremiumauf ihr Urteil. Die Augen matt und gebrochen, ihre Körper ausgezehrt wie nach tagelanger Folter.
Gewaltsam riss ich mich von dem verstörenden Anblick los, dessen Details ich noch gar nicht richtig erfasst hatte. Dieser Raum war dafür geschaffen, Angst einzujagen. Sanctifer hatte mich nicht umsonst hierherbestellt. Offenbar war es ihm wichtig, mir zu zeigen, über welche Macht er als Mitglied des Rats der Engel verfügte. Auf sein Spiel einzugehen und Furcht vorzutäuschen war sicher nicht verkehrt.
Wie um meine Unterlippe am Zittern zu hindern, kaute ich darauf herum und mimte die Verängstigte. Ein Leuchten huschte über Sanctifers jugendliches, von schwarzen Haaren umrahmtes Gesicht, während er mich mit seinen unglaublich blauen Augen unentwegt musterte. Als wäre ich verunsichert – was vielleicht auch so war –, wich ich seinem allzu intensiven Blick aus und erstarrte, als ich begriff, was die Wand hinter seinem Rücken schmückte. Ausgestellt wie eine antike Waffensammlung reihten sich goldblitzende Folterwerkzeuge aneinander. Die monströs gebogenen Haken und unterarmlangen Klingen mit den nadelspitzen Auswüchsen waren noch die harmlosesten Instrumente unter ihnen.
Mein Magen krampfte sich zusammen, während mein Blut sich Richtung Beine bewegte. Eisige Kälte umschloss mein Herz. Mit diesen geradezu liebevoll angeordneten Folterwerkzeugen hatte er Christopher gequält. Wie Trophäen hingen sie hinter ihm. Wahrscheinlich polierte er sie eigenhändig.
Um nicht doch vor Sanctifer in die Knie zu gehen, biss ich mir auf die Lippe, bis ich Blut schmeckte. Der Schmerz half meinem Körper, aufrecht stehen zu bleiben.
Sanctifers triumphierendes Lächeln drang zu mir durch. Mir wurde endgültig schlecht. Dieses Mal musste ich meine Angst nicht vortäuschen, als ich seinem Blick auswich.
»Willkommen in meinem
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