Fluch der Engel: Roman (German Edition)
trotzdem.
»Dann wird es dir sicher nicht schwerfallen, diese Meisterleistung zu wiederholen.« Sanctifers verächtlicher Tonfall unterstrich seine Zweifel. »Aber lass uns zum Grund unseres eigentlichen Treffens kommen: unserer Vereinbarung.«
Ich spürte schon die nächste patzige Antwort auf der Zunge, doch dieses Mal schaltete mein Verstand schneller, und ich formulierte meine Antwort rechtzeitig zu einer Frage um.
»Vereinbarung? Ich bin wegen Philippe gekommen.«
Bedächtig begann Sanctifer seine Hände zu reiben. Meine Sorge um Philippe gefiel ihm viel zu gut. Vielleicht hätte ich ihn doch lieber als scheinheiligen Lügner betiteln sollen.
»Philippe«, genüsslich ließ Sanctifer sich den Namen meines ältesten und treuesten Freundes im Mund zergehen, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. »Dein allzu leichtgläubiger Menschenfreund ist wesentlich sensibler, als du es warst.«
»Wie meint … st du das?« Schon wieder ging meine Zunge mit mir durch – wenigstens konnte ich das Ihr zu einem Du retten. Sanctifer grinste dennoch.
»Besser, du wechselst zum Ihr , wenn du vor einem Ratsmitglied stehst – ganz besonders, wenn du etwas von ihm haben möchtest.«
Sanctifer genoss es, mir seine Überlegenheit zu demonstrieren, um mich herauszufordern. Ich wartete geduldig, bis er fortfuhr – auch er wollte etwas haben.
»Deinem Freund schien mein Tee nicht besonders zu munden,weshalb ich mich entschieden habe, ihn nicht länger dazu zu zwingen, die Mischung zu trinken.« Bis zum Anschlag dehnte Sanctifer seine Finger, lehnte sich in seinem protzig verzierten Lederstuhl zurück und warf mir einen mitleidsvollen Blick zu.
In mir brodelte es. Engelstee war selten nur Tee. Und welche Wirkung Sanctifers Gebräu hatte, sollte ich mir lieber nicht ausmalen, wenn ich ich selbst bleiben wollte. Immerhin gelang mir ein gelangweiltes »Wie großzügig!«. Das von Euch ließ ich weg.
Sanctifers Gelassenheit bekam Risse. »Vielleicht würdest du das anders sehen, wenn du wüsstest, wie empfänglich Philippe für den Hauch der Totenwächter bald sein wird.«
Sosehr ich mich auch bemühte, mein Zittern zu kontrollieren und die aufziehende Kälte zu vertreiben, gelang mir nicht mal ansatzweise. Die Erinnerung an den Todeshauch war viel zu real. Erneut spürte ich eisige Finger, die nach meiner Seele griffen, um sie mir zu entreißen. Doch die Totenwächterin konnte mir nichts mehr anhaben, weil meine Seele nicht mehr menschlich war – Philippes Seele dagegen schon.
Ich wandte mich ab, als der Teil in mir erwachte, den ich vor Sanctifer zu verbergen versuchte. Schattenengel waren mächtig und gefürchtet – und unberechenbar, grausam und seelenlos. Viel zu deutlich sah ich Christophers Schatten an den Stuhl gekettet. Und dennoch verlor Sanctifers Versuch, mich zu provozieren, an Stärke. Christopher hatte mich auf meine Zukunft als Racheengel bestens vorbereitet.
Sanctifers Miene blieb nahezu unbewegt, nur ein kurzes Zucken seiner schwarzen Augenbrauen verriet sein Missfallen. Natürlich war mir klar, dass mein kleiner Sieg Philippe nicht im Geringsten helfen würde. Im Gegenteil. Mein Widerstand stachelte Sanctifers Feindseligkeit an. Sein schneidender Tonfall erinnerte mich daran, dass ich mitten in seiner Folterkammer stand.
»Die Seele deines Freundes ist so viel zerbrechlicher als deine. Aber selbst die stärksten Engel sind verletzlich, sobald sie ihre Schwächen offenbaren.«
Mein Herz hörte auf zu schlagen. Sanctifers Warnung galt nicht mir, sondern Christopher. Irgendetwas musste er gegen ihn in der Hand haben. Ich war mir sicher, gleich zu erfahren, was es war.
Sanctifer spürte meine aufkommende Panik und verschränkte voller Genugtuung seine Hände hinter dem Kopf.
»Vor ein paar Monaten hast du den Pakt besiegelt, den ich dir bei unserem ersten Treffen anbot, und damit deine Zustimmung gegeben, meiner Forderung nachzukommen. Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, scheinst du dich nicht mehr allzu gut daran zu erinnern. Oder täusche ich mich in diesem Punkt?«
»Nicht nur darin!«, antwortete ich zickig. »Ich habe mein Blut niemals freiwillig gegeben. Du hast mir die Kehle aufgeschlitzt, um es dir zu holen. Ein Pakt sieht anders aus.« Mutig trat ich näher an Sanctifers Schreibtisch und stützte meine Hände darauf ab, um ihm meine Entschlossenheit zu demonstrieren. »Und jetzt sag mir, wo ich Philippe finde, bevor ich dem Rat erzähle, dass du einen Menschen in die Engelswelt
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