Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Antwort nahm mir die Luft zum Atmen. Wie niederträchtig konnte ein Engel eigentlich sein?!
Meine Faust schnellte nach vorn. Aron packte sie und drehte mir den Arm auf den Rücken, während sein Engelschwert gefährlich dicht über meiner Kehle schwebte.
»Und jetzt gehst du bitte ins Empfangszimmer, setzt dich auf das Sofa und hörst mir zu! Ich möchte dir nur ungern weh tun.« Das Licht von Arons Engelschwert verdunkelte sich, als sich für denBruchteil einer Sekunde der Hauch eines bleiernen Mantels über mir ausbreitete – eine Warnung.
»Nimm dein Schwert von meiner Kehle«, zischte ich trotz seiner Drohung.
»Gehst du dann freiwillig und lässt mich erklären, was heute passiert ist?«
»Nein. Ich werde dir zuhören, weil ich wissen will, was für ein Heuchler du bist.«
Aron nickte und gab mich frei. Sein Schwert zielte auf meinen Rücken, als er mich Richtung Empfangszimmer drängte. Offenbar traute er meiner vorgetäuschten Ruhe genauso wenig wie ich seiner. Erst als ich mich auf das edle Plüschsofa setzte, ließ er seine Waffe verschwinden. Er besaß andere Möglichkeiten, mich in Schach zu halten. Flügellos, aber mit verschränkten Armen, hatte er vor der Tür Stellung bezogen, um mir zu zeigen, dass ich hier nicht ohne seine Erlaubnis rauskam.
»Nagual ist im Augenblick für die Sicherheit Venedigs verantwortlich«, begann Aron. »Er wird den Rat bitten, eine Versammlung einzuberufen.«
»Eine Gerichtsversammlung?«, sprudelte es aus mir heraus.
»Genau. Der Rat …« Weiter kam Aron nicht, weil er viel zu beschäftigt war, meine Hände von seinem Hals zu lösen, während ich ihm die wildesten Flüche an den Kopf schleuderte.
»Verdammt, Lynn! Hör erst mal zu, bevor du mir an die Gurgel gehst!«, knurrte er und drängte mich auf das Sofa zurück. »Bleibst du jetzt sitzen, bis ich zu Ende geredet habe, oder muss ich dich dazu zwingen?«
»Ich … ich weiß nicht«, flüsterte ich mit erstickter Stimme. Meine Gefühle hatten mich überrannt und mein dämonischer Teil bot sich gerade an, mir beiseitezustehen.
»Lynn, vergiss nicht, wer du sein willst«, Arons Stimme wurde eindringlich. Seine weißen Schwingen erschienen. »Ich habe versprochen, Christopher und dir zu helfen, und ich halte mein Versprechen, das schwöre ich dir.« Aron hatte sich verwandelt, ummir seine Aufrichtigkeit zu beweisen. Auf einer seiner schneeweißen Schwingen klaffte eine tiefrote Wunde. Es musste schmerzhaft sein, mir seine Flügel zu zeigen. Anscheinend war es Aron wichtig, dass ich ihm glaubte.
Um mich wieder in den Griff zu bekommen, schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. Am liebsten hätte ich die ganze Welt ausgeblendet. Christopher musste sich den obersten Engeln stellen und ich Sanctifer – schon übermorgen.
Aron blieb in seiner Engelsgestalt. Er wollte mein Vertrauen zurückgewinnen.
»Nagual wird Christopher der Dogin und ihrem Rat vorführen. Es wird ein Verfahren eingeleitet, um den Fall zu untersuchen. Auch mich wird man zu dem Prozess bitten.« Aron sah mich an. Er würde aussagen müssen, als Engel. »Ich werde die Wahrheit bezeugen. Ich habe Christopher herausgefordert, ihn belogen und ihn bewusst in die Irre geführt, weil ich wollte, dass er wütend wird.«
»Du … du hast riskiert, dass Christopher sich in ein Monster verwandelt?« Mein Kreislauf stand kurz davor, sich auszuklinken. Kraftlos sank ich in die Kissen der Couch. Dass Aron so weit gehen würde, entsetzte mich.
Er warf mir einen besorgten Blick zu, entschied sich aber weiterzureden, anstatt mir eines der Kissen unter die Beine zu schieben. »Abgesehen von Coelestin gibt es niemanden, der Christopher besser kennt als ich. Auch du nicht – noch nicht«, erstickte er meinen Protest im Keim. »Er hätte dich in Gefahr gebracht, wenn er sich verwandelt hätte – und das würde er niemals tun.« Aron strich sich durch seine verwuschelten Haare. Er war nervös.
»Christopher ist nicht der erste Racheengel, der vor Eifersucht brennt. Gabriella, der einstige Racheengel Venedigs, hat einen Engel getötet, der unter dem Schutz eines Ratsmitglieds stand. Sie hat Simon mit dem Mädchen in einem Bett gefunden. Doch Christopher hätte gewusst, wenn Simon sich in eine andere verliebt hätte. Simon war Christophers bester Freund.«
Ich nickte, ich glaubte Aron. Christopher hatte mir von Simon und Gabriella erzählt.
»Sicher kannst du dir denken, in wessen Palast Gabriella die beiden entdeckt hat.«
»Bei Sanctifer«, mutmaßte
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