Fluch der Engel: Roman (German Edition)
ich.
»Ja, aber er hat nicht nur ihr eine Falle gestellt. Er rechnete mit Simons Widerstand und damit, dass Christopher seinem Freund helfen würde. Es ist Sanctifer allerdings nicht gelungen, Christopher so weit zu bringen, das Gesetz zu übertreten.« Aron blieb stehen. Dunkler Zorn verfinsterte seine Miene.
»Christopher steht nicht zum ersten Mal vor Gericht. Doch die Dogin kann es sich im Augenblick nicht leisten, innerhalb so kurzer Zeit auf einen weiteren Racheengel zu verzichten. Darum kam Christopher auch nur mit einer Verwarnung davon, als er dir geholfen hat, aus dem Reich der Totenwächterin zu entkommen. Dass er mich in der Oper nicht in seiner Schattengestalt angegriffen hat, wird auch dieses Mal das Urteil mildern.«
»Obwohl er dir fast einen Flügel abgetrennt hat?« Warum bloß glaubte ich Aron nicht?
» Das wissen nur wir beide. Und bis zur Verhandlung wird nichts mehr davon zu sehen sein. Ich werde den Rat und ihr Oberhaupt bitten, Christopher für die Dauer eines Jahres den Zutritt nach Venedig zu verwehren, weil ich dich hier ausbilden möchte.«
»Und warum sollte er deinem Vorschlag zustimmen? Hast du vergessen, dass auch Sanctifer im Rat der Engel sitzt?«
»Ganz und gar nicht.« Aron grinste – ein verschlagenes Grinsen. »Seitdem Sanctifer dir den Ring mit dem geflügelten Löwen Venedigs gegeben hat, bin ich mir jedoch ziemlich sicher, dass die Dogin und ihr Rat meine Bitte annehmen werden. Sie suchen schon lange nach einer Möglichkeit, wie sie Christopher von dir fernhalten können, nachdem ihr den Rat ausgetrickst und euch in der Menschenwelt getroffen habt. Vermutlich haben sie deshalb auch Sanctifers Flüsterer damit beauftragt, dich und Christopher zu beobachten.«
Arons Argumente leuchteten mir ein – nicht zuletzt, weil Raffael mir erzählt hatte, dass er im Auftrag des Rats handelte.
»Und da Sanctifer seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren will, wird er sich für dich einsetzen. Schließlich hat er dem Rat vorgeschlagen, dich zu Gabriellas Nachfolgerin zu ernennen.«
»Also schlägst du Sanctifer mit seinen eigenen Waffen.«
»Der Rat und die Dogin wollten Venedig als Treffpunkt für dich und Christopher bereits bei ihrem letzten Beschluss ausklammern. Doch der Zirkel der Racheengel hatte Bedenken angemeldet, da die Markusbasilika der einzige Ort ist, wo Racheengel sich einigermaßen zivilisiert beraten können. Mit meinem Antrag gebe ich dem Rat einen hervorragenden Grund, wenigstens einen von euch eine Zeitlang aus Venedig zu verbannen. Von Sanctifer habe ich nur die Idee mit dem eifersüchtigen Racheengel geklaut.«
»Die nicht gut ausgegangen ist«, erinnerte ich Aron.
»Weil Gabriella die Beherrschung verlor. Christopher hat das nicht getan – und dir wird das auch nicht passieren.« Aron spielte auf meinen Aufenthalt bei Sanctifer an. »Wenigstens bleiben mir so noch ein paar Tage Zeit, um dich auf deinen Besuch bei Sanctifer vorzubereiten.«
»Und wie kommst du darauf, dass er mich nicht wie geplant abholen lässt?«
»Weil der Rat nicht nur mich als Zeugen laden wird«, erklärte Aron. Die Querfalten auf seiner Stirn verdeutlichten, wo er den Schwachpunkt seines Planes sah.
Ich ließ mich tiefer in das weiche Polster sinken, zog meine Knie an und schloss die Augen. Ich würde Christopher wiedersehen, als Zeugin der Anklage. Das würde ich niemals durchstehen.
Mein Herz sprang mir in die Kehle, als ich am nächsten Morgen in meinem Empfangszimmer den dunkelhaarigen Flüsterer auf mich warten sah. Er war gekommen, um mich zu holen. Selbst bei Aron, der einen Arm um meine Taille gelegt hatte – schließlich waren wir ja offiziell ein Paar –, konnte ich einen Hauch von Unsicherheitspüren. Dass Aron und ich zusammen waren, hatte Raffael uns beim Abiball nicht abgekauft. Dass er das nach der Auseinandersetzung zwischen Christopher und Aron inzwischen anders sah, konnte ich nur hoffen.
Raffael wirkte ernst, als er mir das zusammengerollte Pergament mit dem blutroten Siegel überreichte. Ich hätte einen triumphierenden Blick erwartet, aber vielleicht wusste er nicht, was in dem Brief stand. Also setzte wenigstens ich ein Grinsen auf, um von meiner Unsicherheit abzulenken, während ich das Schriftstück entrollte. Mein Lachen gefror in stummem Entsetzen. Aron hatte recht behalten. Der Rat erwartete mich morgen zu Christophers Gerichtsverhandlung. Sanctifers morbider Humor, mir ausgerechnet Raffael als Boten zu schicken, war unübertroffen.
»Übrigens«,
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