Fluch der Engel: Roman (German Edition)
meine Hand aus Christophers Klammergriff und stellte sich schützend vor mich.
»Du tust ihr weh! Lass sie in Ruhe, sie hat sich entschieden. Akzeptier’s endlich und geh!«
Doch Christopher war alles andere als bereit, meinen Verrat zu akzeptieren. Er wollte es hören – von mir!
Aron fühlte, wie mein Körper sich verkrampfte, spürte, dass ich kurz davorstand, mich in Christophers Arme zu werfen, und handelte. Besitzergreifend drückte er mich an sich. Atemberaubend intensiv presste er seinen Mund auf meine Lippen, während er mich drohend anblitzte. Ein falsches Wort, eine unbedachte Geste,und Christopher würde meine Stelle bei Sanctifer für sich beanspruchen.
Ich schloss die Augen und ließ mich fallen. Am liebsten wäre ich in Ohnmacht gefallen, aber davon war ich weit entfernt. Aron küsste meisterlich, doch das Wichtigste fehlte: Ich liebte ihn nicht.
Otellos wütender Tenor beherrschte die Bühne. Wegen eines Taschentuchs warf er seiner Desdemona vor, ihn zu hintergehen. Ein verlorenes Taschentuch, wie lächerlich im Vergleich zu einem sündigen Kuss, wie Aron ihn mir gerade aufzwang.
»Lass sie los! Ich will ihr in die Augen sehen.« Christophers Stimme übertönte Otello. Entrüstetes Gemurmel und Zischen aus den benachbarten Logen war die Folge. Doch anstatt den aufgebrachten Racheengel zu beschwichtigen, warf Aron ihm ein triumphierendes Lächeln zu – und widmete sich erneut meinen Lippen.
Ich biss ihm auf die Zunge. Es war nicht nötig, Christophers Wut auf die Spitze zu treiben.
Aron presste kurz seine Augenlider zusammen, ignorierte den Schmerz und küsste weiter. Besser, er hätte aufgehört und sich zu Christopher umgedreht. In seiner herrlichen Gestalt als Racheengel stand er hinter ihm, bereit, ihn in winzig kleine Stücke zu zerfetzen.
Erschrocken stemmte ich mich gegen Arons Körper. Doch er rührte sich keinen Millimeter. Nur Christopher bewegte sich. Langsam, mit erhobenem Schwert, näherte er sich Arons ungeschützter Rückseite. Meine Augen weiteten sich. Christopher zuckte zurück. Überraschung lag auf seinem Gesicht.
Endlich spürte auch Aron, dass etwas nicht stimmte, und ließ mich los. Während ich in eine der Ecken zurücktaumelte, verwandelte auch er sich zum Engel und zückte seine schneeweiße Waffe.
Mein entsetzter Schrei lenkte die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf uns. Einen Livekampf, anstatt auf der Bühne in einer der Logen, gab es sicher nicht bei jeder Vorstellung zu sehen.
Christophers Schwert zielte auf Arons Flügel. Gekonnt wich Aron dem aggressiven Hieb aus. Christopher setzte nach, dochAron kannte ihn gut genug, um seinen Schlägen rechtzeitig zu entkommen. Christopher änderte seine Taktik und trieb seinen Gegner zur Brüstung hinüber. Aron reagierte mit einem schnellen Konter, der Christopher ein Stirnrunzeln entlockte. Er nutzte Christophers Überraschung und stieß einen der Sessel zwischen sich und seinen Angreifer. Doch Christopher ließ sich nicht aufhalten, sprang über den Stuhl und drängte Aron in meine Richtung.
Ich hoffte auf die Vernunft meines Tutors, darauf, dass er kapitulierte. Aber Aron dachte nicht daran, sich geschlagen zu geben. Verbissen hieb er auf Christophers Schwert ein.
Beißender Dunst stieg auf und hinterließ ein Brennen in meiner Nase. Starr vor Angst, Arons Schwert irgendwo in Christophers Körper stecken zu sehen, huschte mein Blick über den Racheengel. Er war unverletzt. Ein Stein fiel mir vom Herzen, bevor es sich schmerzhaft zusammenzog: Anstatt in Christopher klaffte in Arons Flügel ein langer, hässlicher Riss. Rote Dunstschleier entwichen der Wunde. Ein weiterer Schlag, und Arons Flügel würde fallen.
Ich schaute zu Christopher und begegnete seinen Augen. Sie glühten vor Wut. Sein Schatten drängte ihn, die Kontrolle zu übernehmen. Doch so weit durfte ich es nicht kommen lassen. Entschlossen, einzugreifen, stemmte ich mich mit zitternden Beinen aus der goldverzierten Ecke.
Christopher ahnte, was ich vorhatte. Seine Bewegungen gerieten für einen viel zu langen Moment ins Stocken. Mein Herz setzte aus und meldete sich schließlich mit einem panischen Hämmern zurück. Ich musste handeln, jetzt, bevor Aron die Chance ergriff und sein Schwert doch noch in Christophers Körper rammte.
Nicht zum ersten Mal mischte ich mich in den Streit zweier kampfwütiger Engel. Doch niemals zuvor fühlte ich mich so verwundbar wie in dem Moment, als ich zwischen den beiden stand. Der Blick in Christophers Gesicht brach
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