Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Gesichtsausdruck verriet mir, dass er gerade versuchte, Arons Puzzle zu lösen.
»Es würde dir also nichts ausmachen, wenn der Racheengel für sein schändliches Handeln bestraft wird?«
Nicht nur Christopher wartete auf meine Antwort. Sanctifer hing geradezu an meinen Lippen.
»Nein, ich würde es begrüßen.« Meine Lüge brachte mich an die Grenze meiner Belastbarkeit. Ich musste nicht nur Christopher und dem Rat standhalten, sondern auch meinem rebellierenden Herzen, das mich drängte, Sanctifer zu erdolchen und Christopher aus dem Käfig zu befreien.
»Deinem Wunsch wird bei der Urteilsfindung Beachtung geschenkt werden. Du bist entlassen«, übernahm die Dogin das Wort. Meine Befragung war beendet.
Wie in Trance erhob ich mich aus dem Zeugenstuhl und verließ mit meinen vier Bewachern im Nacken den großen Versammlungssaal. Ein letzter Blick auf Christopher verriet mir, wie gut ich meine Rolle doch noch gespielt hatte.
Aron löcherte mich so lange, bis ich ihn anschrie, er möge mich endlich in Ruhe lassen. Natürlich verließ er nur mein Zimmer und nicht das Apartment. Offenbar hatte er Angst, ich könnte auf die Idee kommen, zu Christopher zu laufen und ihm meine Liebe zu gestehen. Vielleicht hätte ich das auch getan, wenn ich gewusst hätte, wo ich ihn finden konnte.
Arons Waffenruhe dauerte nicht lange. Schon am nächsten Tag malträtierte er mich erneut.
»Wenn die Verhandlung zu einem schnellen Abschluss kommt, steht Sanctifers Flüsterer sicher keine zwei Stunden später auf der Matte. Mir bleibt also nicht mehr viel Zeit, um dir zu zeigen, wie du eine Ohnmacht verhinderst.«
»Das kann man lernen?« Ich begrüßte geradezu die Wut, die in mir aufstieg. Sie verdrängte den Schmerz in meiner Brust – zumindest für einen kurzen Moment. »Du sadistischer Sklaventreiber!«, schrie ich. »Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Aber wahrscheinlich hat es dir Spaß gemacht, zu wissen, dass ich jedes Mal kollabiere, wenn Christopher mich küsst.« Ich stand kurz davor, Aron ins Gesicht zu spucken. Allein der gequälte Ausdruck in seinen Augen hielt mich davon ab.
»Es gibt nicht viele Möglichkeiten, die dir helfen, bei Sinnen zu bleiben, während du gefoltert wirst. Wie du Christophers Engelsmagie standhältst, habe ich dir bereits verraten.«
»Und wie …« Ich brach ab. Das Geheimnis, wie ich einem Engelsangriff entkommen konnte, hatte er mir tatsächlich schon enthüllt. Auch wenn ich Christophers Kuss nicht gerade als Bedrohungeingestuft hätte. Unfreiwillig meine Engelskräfte loszuwerden lief auf ein und dasselbe hinaus.
Meine Wut verebbte. Aron setzte sein Leben aufs Spiel. Dass er begann, nervös in meinem Zimmer auf und ab zu gehen, verstärkte meine Furcht, zu versagen und Christopher für immer zu verlieren – der Schmerz in meiner Brust kehrte unerwartet heftig zurück.
»Wie du deine Engelseele schützen kannst, weißt du.« Aron blieb stehen. »Dein menschlicher Körper ist das Problem. Er ist zu schwach, um einem Engelsangriff lange standzuhalten. Doch das musst du, wenn Sanctifer dich foltert. Solltest du das Bewusstsein verlieren, steht ihm der Weg zu deiner Seele offen, sobald du wieder zu dir kommst, weil du in diesem Moment nicht in der Lage sein wirst, sie zu schützen. Aber nicht nur Sanctifer wird Zugang zu deinen Gefühlen haben, wenn du es nicht schaffst, eine Blockade um deine Seele zu errichten – denn sie ist der Schlüssel.«
»Weil Christopher sonst spüren kann, was ich fühle«, flüsterte ich plötzlich heiser.
»Aneinandergebundene Engel können bewusst ihre Empfindungen teilen – oder unbewusst, wenn sich einer von ihnen in Gefahr befindet.«
»Was heißt, dass Christopher ganz genau weiß, was mit mir passiert, weil er an mich gebunden ist.«
»Falls du ihm den Zutritt zu deiner Seele gewährst«, schränkte Aron ein.
Endlich wurde mir klar, wohin Arons Unterricht führen sollte. Wenn ich Sanctifer widerstehen konnte, würde ich ein Engel bleiben. Aber Christopher würde nur dann nichts von meinem Aufenthalt bei Sanctifer mitbekommen, wenn es mir gelang, ihm zu verheimlichen, was der Schlächter des Rats mit mir anstellte – egal, wie schmerzhaft es war.
»Deinem Menschenleben ein Ende zu setzen wäre eine Möglichkeit, dein Ohnmachtsproblem in den Griff zu bekommen.«
»Und die andere?«, hakte ich nach, entschlossen, die Alternative zu wählen, weil ich sonst nicht mehr in die Menschenwelt wechseln konnte – den einzigen Ort, wo
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