Fluch der Engel: Roman (German Edition)
wollte.
»Dann bist du jetzt also mit Aron zusammen?«, hakte der Ratssprecher nach.
»Ja«, antwortete ich mit fester Stimme, wie Aron es mich ewig hatte üben lassen.
»Und du hast damit gerechnet, dass Christopher auftaucht und Aron zum Zweikampf fordert?«
»Nein. Ich hätte ihn für klüger gehalten.«
Das Aufblitzen der königsblauen Augen zeigte mir, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Auch wenn Sanctifer mir glauben sollte, dass ich keine Gefühle mehr für Christopher empfand, dem Racheengel standen seine ins Gesicht geschrieben. Christopher war maßlos enttäuscht. Nicht nur, weil ich ihn hintergangen hatte, sondern vor allem, weil ich ihm vorwarf, für seine Liebe gekämpft zu haben.
Ich widerstand dem Drang, Zuflucht im Händekneten zu finden oder mein Gesicht hinter den Knien zu verstecken, reckte mein Kinn nach oben und setzte das arrogante Lächeln auf, das Aron mir eingebläut hatte: Ich stand jenseits von Christophers fehlgeleitetem Handeln, und jeder sollte das sehen. Blöd nur, dass meine Gefühle nicht mitspielten. Meine Augen begannen heftig zu brennen, weshalb ich schließlich doch auf meine Hände starrte.
»Warum hast du gewartet und bist nicht gleich dazwischengegangen, als Christopher deinen Freund mit seiner Waffe bedroht hat?«
»Womit?« Mit einer Gegenfrage zu antworten, verschaffte mir Zeit. Worauf wollte der Ratssprecher eigentlich hinaus? Beweisen, was für ein erbärmlicher Racheengel ich war? Oder meine angebliche Gefährlichkeit demonstrieren, weil ich mich mal wieder inden Kampf eines Racheengels eingemischt hatte, und das auch noch unbewaffnet?
»Mit deinem Schwert natürlich.« Der Sprecher klang ein wenig genervt.
»Ist es üblich, bewaffnet in die Oper zu gehen? Wenn ja, dann bitte ich das zu entschuldigen. Das wusste ich nicht.« Mein Sarkasmus löste vereinzelte Lacher aus. Die Dogin grinste nicht, zumindest schimmerten ihre lindgrünen Augen heller, als sie den Fragesteller des Rats anstarrte. Vermutlich sprach sie gerade in seine Gedanken.
»Erinnere dich daran, vor wem du stehst!«, hörte ich sie aus dem Mund des Ratssprechers sagen. »Engel brauchen keine Waffen bei sich zu tragen, um bewaffnet zu sein.«
»Dann bin ich offenbar kein Engel, zumindest was diesen Punkt betrifft.« Flügel besaß ich ja.
»Du kannst also noch keine Waffe erschaffen?«, brachte der Ratssprecher meine Antwort auf den Punkt.
»Nein, das kann ich nicht.« Eisige Kälte überschwemmte mich. Nicht nur die Dogin überprüfte den Wahrheitsgehalt meiner Aussage – und scheiterte. Ihr Unmut war spürbar. Sanctifer grinste nur. Er kannte andere Möglichkeiten, schmerzvolle.
»Also wusste Aron als dein Tutor, dass er allein gegen Christopher kämpfen musste.«
»Davon gehe ich aus.«
»Und Christopher?«
Ich vermied es, ihn anzusehen. Er hätte seine Waffe niemals gegen mich erhoben, das wussten wir beide.
»Ich wüsste nicht, warum Aron ihn über meinen Ausbildungsstand auf dem Laufenden halten sollte. Oder hätte etwa er « – ich sah zu Christopher – »und nicht Aron mir das Kämpfen beibringen sollen?«
Aufgebrachtes Gemurmel erfüllte den Raum. Selbst die bislang schweigsamen Ratsmitglieder tuschelten miteinander. Racheengel hatten sich aus dem Weg zu gehen und nicht, einander zu unterrichten.Doch ich wollte klarstellen, dass Christopher nicht im Schloss der Engel aufgetaucht war, damit ihm nicht noch mehr zur Last gelegt wurde.
Wie magisch angezogen, sah ich erneut zu dem Käfig hinüber. Ich hätte besser geschwiegen. Die Überraschung auf Christophers Gesicht verriet, dass er wusste, was ich mit meiner Frage bezwecken wollte. Ein Hauch von warmem Smaragdgrün tauchte in seinen Augen auf. Ich versuchte es zu ignorieren. Gut, dass der Rat noch mehr von mir wissen wollte.
Sanctifers royalblaue Augen ruhten auf mir, während der Fragesteller des Rats fortfuhr.
»Hattest du Angst um dein Leben?«
»Ja!« Die Lüge kam problemlos über meine Lippen. Aron hatte mir diese Frage oft genug gestellt.
»Und um Christophers?«
»Nein – aber um das meines Tutors.« Wenigstens ein Teil entsprach der Wahrheit. Dass ich nicht meines Freundes gesagt hatte, wie Aron das wollte, schmälerte die Wirkung meiner Aussage. Doch ich war mir sicher, dass meine Stimme bei dieser Lüge versagt hätte.
Christopher entging die Täuschung natürlich nicht. Ich biss mir auf die Lippe – ein weiterer Fehler. Keiner kannte meine Fluchtreaktionen so gut wie Christopher. Sein grüblerischer
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