Fluch der Hestande
unverständlichen Laute schrill werden. In sicherer Entfernung hielten sie inne und starrten auf das Gespenst, besonders einer, der sein Gesicht an Raegeseder wiedererkannte.
Raegeseder versuchte auf sie zuzugehen, denn er brauchte ihre Nähe, um seinen geisterhaften Körper beständig zu halten. Aber sie wichen furchtsam zurück und stießen kreischende Laute aus.
Fryll versuchte, Raegeseders Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber mit halbem Herzen, denn er wußte, daß der Baumgeist keine Magie mehr vollbringen konnte, ohne sich selbst zu vernichten. Doch es hätte gar keines Wunders bedurft. Die scharfe Spitze der Lanze in Raegeseders Hand hätte genügt, um Frylls Fesseln durchzuschneiden.
Einem der Kruuks packte schließlich der Grimm über Frylls Furchtlosigkeit diesem Kruukgeist gegenüber. Er entriß seinem Gefährten den Stock, den dieser dem Schrat abgenommen hatte, und zog Fryll eins über.
*
Als Fryll wieder zu sich kam, befand er sich im dunklen Innern einer Hütte. Sein Schädel schmerzte stechend. Er griff hoch, um zu fühlen, ob er blutete, dabei entdeckte er, daß er nicht mehr gefesselt war.
Eine bekannte Stimme sagte: »Dachte ich’s doch, daß man dir den Schädel nicht einschlagen kann.« Es klang sehr tröstlich.
»Garnoth?« fragte Fryll stöhnend.
»Sei still. Solange wir sie nicht auf uns aufmerksam machen, werden sie uns in Ruhe lassen. Sie haben genug andere Vergnügungen. Ich bin der Meinung, daß ein Schrat besser ist als fünfzig Kruuks. Aber zwei Schrate… zu zweit, wenn wir unseren überlegenen Verstand nur ein wenig spielen lassen, müßten wir auch den hundertfünfzig Kruuks da draußen ein Schnippchen schlagen können. Oder habe ich dich überschätzt?«
Garnoth legte stilleheischend den Finger an die Lippen und schlich zum Eingang.
Fryll hörte wirres Durcheinanderbrüllen, doch das barbarische Geschrei ließ nicht erkennen, was vorging.
Garnoth kam zurückgekrochen. »Sie haben eine Schar Weiber vor unsere Hütte gesetzt, um uns zu bewachen. Es ist eine Schande…«
»Kruukweiber!« Frylls Miene hellte sich auf. »Ich kann mich nicht sattsehen an ihren prallen…«
»Das wirst du jetzt auch nicht!« zischte Garnoth hastig und faßte Fryll, der zum Eingang wollte, am Bein. »Wenn sie dich sehen, bleibt uns keine Zeit mehr, einen Plan auszuarbeiten. Und laß dir sagen, sie sind nicht wie die Tildi oder die Feen im Wald. Sie sind wild und derb, und wo sie hinschlagen, gibt’s Beulen. Ich weiß es.« Er rieb sich am Kopf.
Fryll ließ sich stöhnend zurücksinken. »Wie lange bin ich schon hier?«
»Als sie euch brachten, war Mittag. Jetzt ist später Nachmittag.«
»Wo ist Raegeseder?«
»Ich hab’ ihn nicht gesehen. Aber alles, was sie euch abnahmen, wurde zum Häuptling gebracht.«
»Auch mein Stock?«
»Der auch.«
»Was haben sie mit uns vor?«
»Sie haben ein Spiel«, erklärte Garnoth, »das sie mit großer Begeisterung spielen. Wir waren schon mitten drin, als sie euch brachten. Da war ich dann nicht mehr so wichtig. Sie haben mich an die Palisade gebunden und dann mit langen Spießen nach mir geworfen. Wenn ich die Regeln recht verstanden habe, hätte der verloren, der mich verletzte oder gar tötete. Sie waren keine besonders guten Spießewerfer. Sie hätten alle verloren. Sechsmal in die Brust, viermal in den Kopf, einmal in den Hals, drei Dutzendmal in Arme und Beine… so sähe ich jetzt aus, voller Löcher, wenn ich nicht ein wenig mit einem kleinen Zauber nachgeholfen hätte. Und sie blieben alle Sieger und guter Laune. Freilich muß ich zugeben, daß es nach und an schon ein wenig anstrengend war…«
Fryll wurde ziemlich blaß bei dieser Erzählung. Er war ganz Garnoths Meinung: sie mußten rasch einen Plan schmieden. Fryll hätte keine drei Würfe überdauert. Ohne seinen Stock war er hilflos, ohne ihn brachte er keinen brauchbaren Zauber zuwege.
Womit wohl Garnoth zauberte? Es wäre interessant gewesen, das zu wissen. Es war immer gut, die schwachen Stellen von Freund oder Feind zu kennen. Immerhin vermochte Garnoth noch zu zaubern. Das war beruhigend zu wissen.
»Wo ist Mythor?«
»Dein Menschen-Freund? Sie haben ihn vor den Häuptling gebracht. Der sieht nicht aus, als ob er viel Verstand hätte, aber er ist sehr neugierig. Er hat ein Dutzend Weiber um sich geschart, die ihm bei der Begutachtung der Beute zur Seite stehen. Und sie sind nicht gerade zimperlich. Die Freundin deines Mythor ist übrigens auch dabei.«
»Wie geht es ihm?
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