Fluch der Hestande
Mann stand wie er selbst.
Da war eine Bewegung am Ufer, die er aus den Augenwinkeln wahrnahm. Er warf Ilfa einen warnenden Ruf zu. Sie starrten angestrengt zum Lager.
Nichts regte sich mehr, nur der dünne Rauch des Feuers wirbelte, als wäre ein Windstoß in ihn gefahren.
Mythor schwamm vorsichtig ans Ufer, und Ilfa folgte.
Was immer sich bewegt hatte, war verschwunden.
Mythor sprang aus dem Wasser und rannte auf das Lager zu. Er sah sich hastig um. Niemand war zu sehen, aber dann entdeckte er, daß das Lager geplündert worden war. Ihre Kleider und Waffen, selbst die halbgaren Fische, waren verschwunden. Es gab keine Spuren auf dem felsigen Gelände.
Ilfa stand fröstelnd neben ihm. Sie hatte die Fäuste geballt.
»Es war meine Schuld«, stellte sie fest. »Großer Thorimol! Ich hab’ mich benommen wie ein… ein…«
»Mädchen?« ergänzte Mythor mit schwachem Lächeln. »Es war eine überraschende Entdeckung für uns beide.«
»Was tun wir jetzt?«
»Der Dieb kann nicht weit sein«, mutmaßte Mythor.
»Es genügt selbst ein geringer Vorsprung, um im Nebel zu verschwinden…«
Mythor schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Bewegung gesehen, und keine weitere mehr, als wir aus dem Wasser kamen. Er muß sich hier irgendwo verbergen…«
»Dann ist er ein Meister darin.«
Mythor hob einen faustgroßen Stein auf und wog ihn in der Rechten. Er nickte. »Spitz und schwer«, stellte er fest. »Keine schlechte Waffe.«
Sie folgte seinem Beispiel. »Ich war immer recht treffsicher damit.« Sie war wieder ganz Krieger.
Sie suchten eine Weile die Ufergegend ab, fanden aber weder den Dieb noch seine Spuren.
Ilfa war es, die plötzlich erstarrte und nach Mythors Arm griff.
»Die Grünen«, stieß sie hervor.
Mythor nickte stumm. Er hatte sie bereits gesehen. Sie kauerten zwischen den Felsen.
»Ich sehe vier«, sagte sie.
»Sieben… mindestens…«
»Keine guten Chancen.«
Mythor nickte. »Selbst wenn wir Waffen hätten.«
»Was tun wir?« flüsterte sie. »Zum Wasser zurück?«
»Sie werden warten, bis wir wieder herauskommen.«
»In der Schwärze der Nacht werden sie uns nicht sehen.«
Als sie sich zum Wasser zurückzuziehen begannen, sprangen die Grünen mit durchdringendem Geheul aus ihren Verstecken hervor und schwangen ihre mächtigen Hämmer. Sie mußten zwei oder drei Dutzend sein.
Mythor hielt inne, als er sah, daß sie ihnen den Weg zum Wasser abschnitten.
»Weiter! Wir brechen durch!« rief Ilfa.
Er sah, wie sie mit vier Kriegern ins Handgemenge kam. Einer fiel durch ihren gutgezielten Stein. Unter den Armen des zweiten glitt sie gewandt hindurch. Die anderen beiden ließen ihre Hämmer fallen und warfen sich auf das Mädchen. Mythor warf seinen Stein, und einer der beiden fiel zur Seite. Er sah, wie Ilfa sich aus dem Griff des anderen wand, und stürmte vorwärts, um ihr zu helfen, aber die Angreifer waren zu nah.
Mythor kam ein halbes Dutzend Schritte, dann streckte ihn ein gewaltiger Schlag nieder.
3.
Was Mythor ins Bewußtsein zurückrief, war eine beruhigende, männliche Stimme. Er verstand nicht, was sie sagte. Es klang beschwörend. Sie redete halblaut in einem steten Schwall von Worten.
Als er die Augen öffnete, verstummte sie.
Er starrte in den grauen, nebligen Himmel und wußte nicht, was geschehen war, noch wo er sich befand, – für einen Mann ohne Gedächtnis ein beinah vertrautes Gefühl. Dann beging er den Fehler, sich zu bewegen. Das brachte einen stechenden Schmerz im Kopf und vage Erinnerungen.
Er wälzte sich stöhnend herum und versuchte sich aufzurichten, wobei er aufschrie, denn seine Schulter fühlte sich an, als wäre sie aus Feuer. Er biß die Zähne zusammen und kämpfte gegen die Schwärze an, die ihn zurückzuholen drohte.
Als sein Blick sich wieder klärte, sah er den Besitzer der Stimme.
Er schnappte unwillkürlich nach Luft, denn seinesgleichen hatte er noch nicht gesehen – was wiederum nicht viel besagte bei einem Mann ohne Erinnerung.
Der Fremde war von auffallend kleinem Wuchs, wohl kaum vier Fuß, wenn er sich aufrichtete, und machte einen knorrigen Eindruck, der Mythor an Baumwurzeln und verwachsene Äste erinnerte. Er saß über das Lagerfeuer gebeugt und briet Fisch. Vom Gesicht war unter dem breitkrempigen Schlapphut und dem grobsträhnigen Haar nicht viel zu sehen. Ein Mantel aus zerschlissenen Fellflicken, die den größten Teil der Behaarung längst verloren hatten, verdeckte die Gestalt. Ein großer Holzstock mit einem knotigen
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