Fluch der Hestande
Knauf lag neben ihm. Der Duft des gebratenen Fisches ließ Mythor das Wasser im Mund zusammenlaufen.
»Es gibt nichts, das die Lebensgeister besser weckt, als der Duft von Eßbarem«, sagte der Fremde und wandte Mythor sein Gesicht zu.
Das Antlitz verstärkte den Eindruck von Wurzeln und Ästen noch. Die Haut glich einer Rinde, borkig und mit weißen Flecken. Gelbliche Augen blickten verschmitzt hinter großen Tränensäcken. Die Nase war alles beherrschend. Der zahnlückige Mund erinnerte an ein Froschmaul.
»Du mußt ein Waldbewohner sein!« entfuhr es Mythor. Er verzog schmerzlich das Gesicht.
»Ho! Ein Neunmalkluger!« polterte der Fremde, und jede Silbe wütete schrecklich in Mythors Kopf.
»Ja, ja, ich will leiser reden. Kann’s mir vorstellen, wie’s in deinem Schädel hämmert. War auch ein Hammer…« Er kicherte, aber sah Mythor nicht ohne Anerkennung an. »Die Hämmer der Kruuks überlebt nicht so rasch einer. Du hast den Schädel eines Bären, Fremdling. Wie ist es, ißt du einen Happen?«
Mythor kam schwankend auf die Beine. »Wo sind diese grünen Teufel?« fragte er stöhnend.
»Die Kruuks sind fort. Sie haben dich wohl für tot gehalten.«
Mythor entspannte sich ein wenig.
»Ich bin Fryll«, stellte sich der Kleine vor. »Ein Schrat. Ich lebe im Wald drüben. Und du bist ein seltsamer Kauz… kein Aegyr, keiner von ihrer Brut… Bist du einer von außerhalb?«
»Ich bin Mythor… und viel mehr weiß ich nicht. Ich war ein Gefangener der Hexe Yorne, die mir alle Erinnerungen raubte…«
»Ah! So bist du auf der Suche nach Erinnerungen?«
»Weißt du einen Rat?«
»Wer sonst als ein Schrat weiß immer Rat?« Fryll hob abwehrend die Arme, als Mythor ihn bestürmen wollte. »Nicht so rasch! Es ist alles nicht so einfach. Und du bist noch gar nicht in der Verfassung für solch ein Abenteuer. Und außerdem… wenn du mit Yorne zu schaffen hast, sollte ich besser die Finger von dir lassen…«
»Ah, keine Angst«, unterbrach ihn Mythor. »Yorne ist tot…«
»Die Hexe tot?« entfuhr es dem Schrat. »Hast du sie getötet?«
»Nein. Meine Gefährtin war es… wo ist sie?« Die Erinnerung an sie kam plötzlich. Er sah sich um, aber außer ihm und dem Schrat war niemand zu sehen.
»Sie lebt«, erklärte Fryll. »Aber die Kruuks haben sie mitgenommen. Mir ist zwar nicht klar, was sie mit ihr wollen, denn sie lieben ihre Frauen üppig, und an deiner Gefährtin war nicht viel dran…«
»Wo haben sie sie hingebracht?« unterbrach ihn Mythor ungeduldig.
»In ihr Dorf, wohin sonst?«
»Dann müssen wir ihr zu Hilfe kommen…!«
Fryll schüttelte den borkigen Kopf. »Du vielleicht. Ich habe mit den Kruuks keinen Streit. Ich lebe in Frieden mit meiner Umwelt… mit dem Wald, mit den Kruuks und selbst mit den Hexen. Ich habe dich ins Leben zurückgerufen, weil du noch nicht ganz tot warst, als ich kam. Wollte ich mehr für dich tun, hätte ich bald alle Welt zum Feind. Nein…« Er schüttelte sich. »Aber wenn du essen willst, bevor du in die Schlacht ziehst, sei mein Gast.«
»Essen!« stieß Mythor ungeduldig hervor. »Sag mir lieber, wo ich diese Kruuks finde… und eine brauchbare Waffe!«
»Die Kruuks sind nicht zu verfehlen. Du folgst den Ausläufern des Waldes nach Westen bis zu den Ruinen von Rithumon. Dort haben sie ihr Palisadendorf. Man kann sie zehn Meilen gegen den Wind brüllen hören. Sie sind ein lauter, unangenehmer Haufen. Würde mich schon freuen, wenn ihnen einer einen Denkzettel verpaßt. Und für solch einen Zweck, denke ich, kann ich dir auch eine Waffe geben. Ich habe so manchen Schatz in meinem Haus. Ist eine gute Klinge nicht eines Kriegers größter Schatz?«
»Wo ist dein Haus?«
»Nicht weit von hier.« Und nach einem Augenblick fügte er hinzu: »Ich hatte noch nie einen Gast wie dich. Raegeseder wird staunen.«
»Wer ist Raegeseder?« fragte Mythor mißtrauisch.
»Ein Freund«, war alles, was der Schrat darüber verriet.
Mythor begann sich ein wenig besser zu fühlen. Er brachte es fertig, aufzustehen, ohne vor Schmerzen zu stöhnen. Hinterkopf und Schulter fühlten sich geschwollen und wund an, aber es war nichts gebrochen und die Wunden waren nicht tief. Der Schrat hatte sie mit einem heilenden Saft beträufelt. Daß der Schrat wußte, wo sich Ilfa befand, und die Aussicht auf eine Waffe beruhigten ihn für den Augenblick.
»Was werden sie mit ihr tun?« fragte er schließlich, als er neben Fryll am Feuer hockte und mit Heißhunger Fisch aß.
Der Schrat
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