Fluch der Leidenschaft
auf dem Weg in die Hölle befinden!«
Bei diesem Gedanken stieg spontan Wut in Imogen hoch, doch sie hielt den Blick gesenkt. Wenn FitzRoger etwas aus ihrem Gesicht »ablesen« konnte, dann zweifellos auch Father Wulfgan.
»Ich halte es für meine Pflicht als Gemahlin, meinem Lord Kinder zu schenken.« Und das will ich auch, dachte sie, selbst wenn es mit Schmerzen verbunden ist. Bei der Vorstellung, FitzRoger sein erstes Kind zu präsentieren, wurde ihr vor Sehnsucht ganz warm ums Herz.
Der Priester seufzte. »Nur wenige haben die Kraft für eine keusche Ehe«, lenkte er ein.
Imogen blickte auf. »Wie erfülle ich also meine Pflicht, Kinder auszutragen, Father, und meide dabei die Lust?«
Wulfgan lehnte sich zurück und sah drein, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen. »Das ist ganz einfach. Ihr müsst Freude im Ehebett meiden, mein Kind, und Dinge, die zu solcher Freude führen könnten. Denkt immer daran, dass Euer sündiges Fleisch der Feind des Geistes ist. Verweigert Euch ihm. Kasteit es. Wenn sich Euer Fleisch erfreut, dann wisst Ihr, dass Ihr in Sünde seid.«
»Erfreuen?«, fragte Imogen unverhohlen. Das Feuer der Lust war eines, aber wie konnte im Ehebett die Gefahr bestehen, sich zu erfreuen? Er musste die Küsse meinen. Das war alles sehr kompliziert.
Wulfgan tätschelte mit seiner knochigen Hand ihre Wange. »Eure Verwirrung zeigt, dass Ihr noch rein seid, mein Kind. Ich habe Euch schon einmal gesagt, was Ihr meiden müsst, wenn Ihr der Verdammnis entgehen wollt – die Zunge im Mund, die Hand auf der Brust …«
Imogen senkte den Blick und wünschte sich, ihre Wangen würden nicht flammend rot anlaufen.
Der Priester seufzte. »Ich beschmutze Eure Unschuld, indem ich über solche Dinge spreche, und nun, fürchte ich, muss ich Euch noch weitere Pein zufügen, liebes Kind. Ich wünschte, ich könnte Euch all dies ersparen, aber Ihr habt recht, wenn Ihr sagt, dass es Eure Pflicht ist zu heiraten. Der Pfad der Pflicht ist häufig voll böser Verlockungen. Lasst mich nun noch weitere furchterregende Dinge berichten, die Euch der Teufel in den Weg legen könnte …«
In dieser Nacht konnte Imogen kaum schlafen, weil sie ständig an die merkwürdigen Dinge denken musste, von denen Father Wulfgan gesprochen hatte, Dinge, die weit über alles hinausgingen, was sie je gesehen oder sich ausgemalt hatte. Einige erregten ihren Abscheu, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass FitzRoger sich dermaßen lächerlich benehmen würde, doch man durfte nicht vergessen, dass der Teufel gerissen war. Einige der Beschreibungen aber hatten eine wirre Erregung in ihr ausgelöst; war das vielleicht die gefürchtete Lust gewesen?
Und die Lust würde sie nicht nur in die Hölle verdammen; sie würde auch ihre Nachkommen brandmarken und jegliche Unternehmung ihres ganzen Geschlechts scheitern lassen. Die Männer, hatte Father Wulfgan erklärt, wurden durch die Lust schwach. Es oblag den Frauen zu vermeiden, die Männer in Versuchung zu führen.
Imogen war nicht klar, wie das geschehen sollte, außer, dass sie nicht ihren nackten Körper vor ihrem Gemahl zur Schau stellen und diesen nicht auf eine der beschriebenen unzüchtigen Weisen berühren sollte.
Als ob sie das gewollt hätte.
Sie begrüßte die aufgehende Sonne mit einem flauen Angstgefühl im Bauch und unterwarf sich willig dem vorgeschriebenen Tag mit Fasten und Beten. Martha protestierte dagegen; sie behauptete, Imogen brauche all ihre Kraft, doch der zotige Blick der Magd machte Imogen nur noch entschlossener. Sie musste geistig auf der Höhe sein, nicht körperlich.
Martha trollte sich murrend.
Imogen versuchte sehr, sich auf Reinheit und das Gebet zu konzentrieren, doch sie wurde dabei immer wieder von seltsamen Bildern in ihrem Kopf gestört.
FitzRogers schwielige Hände mit den langen Fingern und das Gefühl, wie sie über ihren Körper glitten.
Der Geschmack seines Mundes, auf ihren gepresst.
Das Schwindelgefühl, wenn er sie in den Armen hielt.
Diese freundliche Wärme, die nur ein- oder zweimal in zärtlichen Momenten in seinem strengen Gesicht aufgetaucht war.
Das alles konnten doch keine Anzeichen der Verdammnis sein?
Sie betete noch inbrünstiger.
Als sie am Nachmittag den Lärm hörte, der die Ankunft des Königs ankündigte, atmete sie erleichtert auf.
Es kündigte den Anfang vom Ende an.
9
Martha stürzte herein, aufgeregt und froh, etwas zu tun zu haben, und machte Imogen zurecht. Bald darauf kam der König in ihr
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