Fluch der Leidenschaft
schrie ein Mann. »Besorgt es ihr gut heute Nacht, Herr! Pumpt sie bis obenhin voll!«
Weitere schlüpfrige Bemerkungen folgten.
Die derben, rauen Zurufe nahmen weiter zu, sie beschworen auf eine muntere Weise Lust und Gewalt herauf. Imogen bekam allmählich das Gefühl zu ersticken. Die heiteren Gesichter wurden ihr zu schreienden Fratzen, die Menschen zu angriffsbereiten Schurken und schließlich zu Warbricks Männern, die über die Vergewaltigung ihres Lords lachten und warteten, bis sie an der Reihe waren …
Erst, als FitzRoger ihre Hände fast gewaltsam von dem Tragstuhl löste, wurde ihr bewusst, dass sie sich verkrampft daran festgeklammert hatte. »Lasst los«, befahl er in ruhigem Ton. »Ich bestehe darauf, Euch diese Stufen hinaufzutragen, Gemahlin, halsstarriger Stolz hin oder her.«
Sie war sich nur ihrer blinden Panik bewusst, ihres brennenden Wunsches, ihm und dem Ehebett zu entkommen. »Ich kann nicht …«
Schon hob er sie auf seine Arme. »Und ob Ihr könnt«, sagte er nur. Als sie sich wehren wollte, fügte er kurz und knapp hinzu: »Du lehnst dich jetzt nicht gegen mich auf, Imogen, oder ich lasse dich einfach auf deinen süßen Hintern fallen.«
Sie ergab sich in ihr Schicksal. Schließlich war es nicht seine Schuld, dass Gott den Frauen solch schreckliche Pflichten auferlegt hatte, wenngleich sie nicht verstehen konnte, weshalb alle so fröhlich darüber herzogen. Ihr schien, dass die feierliche Stimmung eines Begräbnisses dieser Sache angemessener wäre als Jubelgeschrei.
Wie gern hätte sie in diesem Augenblick das Mitgefühl irgendeines Menschen gespürt.
Sie lehnte verdrossen den Kopf an den weichen Samt seiner Tunika, doch ein Stückchen Goldborte kratzte sie, und sie zuckte zurück. »Das ist typisch!«, fauchte sie.
»Was denn?«
»Ihr tut mir immer nur weh.«
Er blickte stirnrunzelnd auf sie nieder und leckte rasch ein Blutströpfchen von ihrer Wange. »Habe ich Euch jetzt schon bluten lassen? Und heute Nacht werde ich es wieder tun. Ganz bestimmt habt Ihr recht mit all Euren Zweifeln.«
Seine herzlose Bestätigung ihrer Befürchtungen ließ sie schaudern.
»Hör auf zu zittern, Imogen«, sagte er mit mehr als nur einer Spur Ungeduld. »Es ist das Schicksal einer Frau, in der Hochzeitsnacht zu bluten. Andere haben das überlebt, und auch du wirst es überleben. Wenn du einfach aufhörst, dich mit mir zu kabbeln, wirst du diese Hochzeit ganz annehmbar finden.«
Sie funkelte ihn wütend an. »Ich bin kein Kind, FitzRoger. Also hört auf, mich wie eines zu behandeln!«
»Ich werde dich immer so behandeln, wie du es verdienst«, gab er zurück, und das ließ sie verstummen. Sie hatte große Angst davor, sich wie ein Kind zu benehmen, aber sie war so voller Furcht. Furcht vor allem, am meisten aber vor dem Ehebett. Als sie den kühlen Saal betraten, schauderte sie erneut.
Er setzte sie auf einen Stuhl an der Hohen Tafel. »Du zitterst wie Espenlaub«, bemerkte er mit echter Besorgnis. »Ich hatte dich eigentlich für mutiger gehalten.«
Imogen blickte auf den Tisch, der jetzt mit feinen Tüchern bedeckt war. »Ich habe schreckliche Erinnerungen, Mylord. Überrascht Euch das? Aber mit der Zeit werden sie sicher vorübergehen.« Ein besonders bitteres Schicksal war es jedoch, dass sie ihr Brautmahl an ebenjenem Tisch einnehmen musste, auf dem ihre Zofe so brutal vergewaltigt worden war.
Sie glaubte, seine Hand an ihrer Schulter zu spüren, aber vielleicht hatte sie sich auch getäuscht. Als sie aufblickte, nahm er gerade auf dem Stuhl zu ihrer Linken Platz, während sich der König rechts von ihr setzte.
Imogen blickte in die Runde und musste zugeben, dass das Fest offenbar gut vorbereitet worden war. Auf den Tischen lagen große Mengen Brot, und eine reiche Auswahl an Gerichten stand bereit. Alles war fast so schön wie vor Warbricks Verwüstungen, doch es bekümmerte sie, dass diese Pracht eine fremde war, es war nicht wirklich die ihres Zuhauses.
Ihr Zuhause, ihre Vergangenheit – all das war verschwunden.
Einige Spuren des Altvertrauten waren jedoch geblieben. Der grauhaarige Siward trat vor, um sich vor dem König und vor ihr zu verneigen. Imogen reichte ihm lächelnd die Hand. »Du siehst gesund aus, Siward. Wie froh ich bin, dich wiederzusehen.«
»Gesund genug, Mylady«, erwiderte er mit einem Grinsen. »Und Euch in Eurer Burg zu sehen, mit einem starken Mann an Eurer Seite, das macht mich wirklich froh!«
»Vielen Dank, mein Getreuer«, sagte der König
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