Fluch der Leidenschaft
rebellierte.
Stirnrunzelnd legte FitzRoger seine warme Hand auf ihre kalte. Es sollte eine Geste des Trosts sein, doch sie empfand sie als einengend und zog ihre Hand zurück. Er füllte den rubinroten Kelch und schob ihn ihr zu.
»Dann trinkt wenigstens.«
Imogen gehorchte. Er spürte ihre angstvolle Unruhe mehr und mehr, und das missfiel ihr; also versuchte sie, sich ruhig und glücklich zu geben, lauschte der Musik und schaute den Gauklern zu. Zwei von ihnen erkannte sie als das Paar, das sie vor scheinbar so langer Zeit mit Siward auf dem Damm zur Burg Cleeve gesehen hatte – vier Tage war das her.
Damals waren sie frei gewesen, und sie waren es noch immer.
Sie war es nicht mehr, sie war vom Tag ihrer Geburt an nicht frei gewesen …
Von der Anstrengung zu lächeln schmerzte ihr bald das Gesicht. Sie wünschte, diese Farce von einem Fest möge endlich enden – ohne dass danach kam, was eben kommen musste.
Zwei von Henrys Jagdhunden lagen zu Füßen des Königs. Als Imogen auf ihrem Vorlegebrett ein großes Stück Rindfleisch vorfand, warf sie es den beiden Tieren vor. Der König bemerkte es, doch er zog nur verwundert eine Braue hoch und hörte auf, ihr Fleisch vorzulegen.
Imogen war erleichtert. Das Einzige, was diesen Tag noch schlimmer machen konnte, war, sich übergeben zu müssen.
Sie schien die einzige Person zu sein, die nicht in bester Feierlaune schwelgte.
Angesichts der köstlichen Speisen und Getränke aßen alle mit Lust und sprachen kräftig dem Alkohol zu. Vielleicht würde sich FitzRoger ja betrinken. Sie begann, den Kelch zu beobachten, den sie sich mit ihm teilte, doch er berührte ihn kaum.
Schließlich wurden die Speisen abgeräumt, und nur Gläser und Karaffen blieben auf den Tischen. Der Vorrat an gutem Wein schien endlos zu sein.
Alles aus Cleeve.
Der Lärm – Trommeln, Pfeifen, Rufe, Gelächter – brachte ihren Kopf schier zum Bersten.
Wieder berührte FitzRoger ihre Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Ich glaube, es ist an der Zeit, das Ganze hier zu beenden«, meinte er, als könne er sich hundert interessantere Dinge vorstellen, die man tun könne. »Der König war so gnädig, darauf zu bestehen, dass wir das ehemalige Gemach Eures Vaters benutzen. Eure Zofe erwartet Euch dort. Habt keine Angst. Nur der König und einige wenige andere müssen die Bettung bezeugen.« Er lächelte leicht. »Ich nehme an, Father Wulfgan zu bitten, das Hochzeitsbett zu segnen, ist sinnlos, nicht wahr?«
»Ihr solltet Euch nicht über ihn lustig machen«, erwiderte sie verärgert, um die Panik zu verbergen, die ihr die Kehle zuschnürte. »Er hat recht. Die Lust ist ein Werk des Teufels. Er hat mir gesagt, frisch Verheiratete sollten sich drei Tage lang enthalten, um zu beweisen, dass sie ihr körperliches Verlangen im Zaum halten können.«
Zu ihrer Überraschung küsste er ihre Hand. »Es wird nicht so schlimm werden, wie Ihr glaubt, Imogen. Ich verspreche es.«
»Ihr werdet mir nicht wehtun?«, flüsterte sie, verzweifelt auf eine nochmalige Versicherung hoffend.
Er legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen. »Still. Wir reden später darüber. Geht hinauf.«
10
Sie erhob sich. Ihre Füße schmerzten nur leicht, bemerkte sie, vielleicht, weil ihr Kopf mit so vielen anderen Dingen beschäftigt war. Während sie auf die Treppe zuging, wurden einige Pfiffe und Rufe laut, doch plötzlich verstummten sie. Imogen schaute zurück; Tyron FitzRogers Miene war ausdruckslos. Doch sie wusste, dass er seine Männer wie auch die des Königs mit einem einzigen Blick zum Schweigen gebracht hatte.
Das Gemach ihres Vaters war ein wenig verändert worden. Man hatte ihr gesagt, dass FitzRoger es für sich in Anspruch genommen hatte, aber sie war trotzdem nicht darauf vorbereitet gewesen. An die Stelle der ihr vertrauten Gegenstände waren nun seine Truhen und Behänge getreten. Obwohl Warbrick zweifellos sämtliche Habseligkeiten ihres Vaters gestohlen hatte, konnte sie diese Inbesitznahme nicht billigen.
Das große Bett ihres Vaters jedoch stand noch da, allerdings war es jetzt von Rosenblättern übersät. Und Martha war hier und grinste, als sei das, was ihrer Herrin bevorstand, ein freudiges Ereignis.
Imogen überlegte, ob sie Schande über sich brächte, wenn sie auf diesen blütenbedeckten Laken ohnmächtig würde. Sie fühlte sich wirklich sehr sonderbar. FitzRoger hatte wieder einmal recht gehabt – sie hätte essen sollen. Dieses Schwächegefühl kam mit Sicherheit von zu viel
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