Fluch der Leidenschaft
Verhalten zweifellos unmöglich gemacht hatte. Bestimmt würde er sich nicht noch einmal auf eine solch katastrophale Szene einlassen.
Aber er musste es!
Es sei denn, er verlor die Geduld, oder er vergaß sich und vergewaltigte sie.
»Schau mich nicht so an«, sagte er in scharfem Ton. »Ich werde dich nicht wieder belästigen.« Er stand auf, holte aus einer Truhe ein Paar Handschuhe für die Beizjagd und eine Peitsche und ging auf die Tür zu. »Ruh dich aus.«
In einem Versuch zu scherzen fragte Imogen: »Ist das ein Befehl?«
Er war bereits an der Tür. Nun blickte er zurück und schüttelte den Kopf. »Tu, was du willst. Carrisford gehört dir. Du hast es dir verdient.«
Von ihrem Fenster aus beobachtete Imogen den Ausritt der Jagdgesellschaft. Der König war offenbar nüchtern geblieben, denn er und FitzRoger schienen sich als Einzige auf einen ganzen Tag im Sattel zu freuen. Die restlichen Männer stiegen schwerfällig auf ihre Pferde, als hätten sie alle einen Brummschädel und seien völlig erledigt. Imogen konnte nicht umhin zu kichern, vor allem, als einer der Reiter aufsaß und im nächsten Augenblick auf der anderen Seite des Tieres wieder herunterfiel.
Als würde er ihre Blicke spüren, sah FitzRoger mit beinahe liebevoller Miene zu ihr hoch und warf ihr eine Kusshand zu. Imogen musste ihr Lächeln nicht erzwingen, als sie scheu zurückwinkte.
Der König sagte etwas. Seinem Gestikulieren nach vermutete sie, dass er ihrem Gemahl anbot, zu Hause zu bleiben. FitzRoger lehnte jedoch ab und machte eine Bemerkung, die die Umstehenden zum Lachen brachte.
Imogen wusste, es musste etwas Unanständiges gewesen sein, denn von einem frischgebackenen Bräutigam wurde das erwartet.
Die Falkner kamen, und einige Männer, darunter auch FitzRoger, setzten sich einen Vogel auf den Arm. Es war ein schöner Wanderfalke, der nach der Stimme seines Herrn suchend den Kopf drehte und unter dessen vorsichtiger Berührung den Hals krümmte.
In welchem Zustand waren wohl ihre Mauserkäfige? Und was war mit ihrem Zwergfalken? Es gab noch so viele Teile von Carrisford, die sie nach dem Überfall noch nicht in Augenschein genommen hatte. Sie befürchtete das Schlimmste.
Die angeleinten Hunde zerrten ihre Führer auf das Tor zu, erpicht darauf, ins Freie zu gelangen. Von den Hunden ihres Vaters hatte sie seit Warbricks Plünderung nichts mehr gesehen. Sie mussten gestohlen oder getötet worden sein.
Auf ein Zeichen des Königs hin verließ die Jagdpartie die Burg.
Und die Pferde. Was war mit den Pferden? Imogen seufzte. Es bestand wohl kaum Hoffnung, dass Ysolde, ihr schneeweißer Zelter, Warbrick hatte entkommen können.
Wegen ihrer wunden Füße und der ständigen Beschäftigung mit FitzRoger hatte sie ihre Aufgaben als Burgherrin völlig vernachlässigt. Jetzt war Zeit dazu, sich um alles zu kümmern. Jetzt war auch die Gelegenheit, in ihre Schatzkammer zu gehen und für die finanziellen Grundlagen der Verwaltung von Carrisford zu sorgen. Ihr Verhalten war nicht mehr so sehr vom Misstrauen gegenüber FitzRoger bestimmt als vielmehr von dem Wunsch, sich verantwortlich und ihrer Stellung würdig zu zeigen. Sich seiner würdig zu zeigen.
Andererseits musste sie sich eingestehen, dass sie nicht bereit war, ihm ungehinderten Zugang zur Schatzkammer zuzugestehen.
Konnte man einem Menschen gleichzeitig trauen und misstrauen?
Ja. Sie vertraute ihm in persönlichen Dingen, aber nicht dann, wenn es darum ging, zwischen ihren und seinen Interessen sowie denen des Königs abzuwägen. Sowohl ihr Gemahl als auch der König waren relativ neu in ihren Ämtern, und sie strebten nach Macht. FitzRoger wollte Cleeve zu Größe verhelfen, und Henry wollte eine stabile Machtbasis in diesem Teil des Landes etablieren. Imogen hatte nicht vor, sich gegen diese Ziele zu stellen, doch ihre erste Priorität war der Wiederaufbau von Carrisford.
Sie blickte finster auf ihre Füße, denn sie wollte nicht barfuß durch die schmutzigen Gänge zur Schatzkammer gehen. Wieder probierte sie ein Paar Schuhe an, aber sie drückten nach wie vor an einigen Stellen. Sie konnte sie wohl für einige Zeit tragen, doch der Preis dafür würde sein, den Heilungsprozess zu verzögern. Imogen murmelte ein paar Flüche vor sich hin, die ihr sicher einen Tadel vonseiten ihrer Tante und eine ansehnliche Buße von Father Wulfgan eingebracht hätten.
Wo war Martha? Sie war keine besonders gute Zofe, aber eine andere hatte sie eben nicht. Sicher schlief sie nach
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