Fluch der Leidenschaft
ihr Kraft. Er stieß sie also nicht zurück. »Was ist daran so kompliziert?«, fragte sie.
Er legte sich ihr gegenüber auf das Bett, den Rücken an einen der Pfosten gelehnt. Seine Füße berührten fast ihre Knie. »Meine Mutter heiratete Roger von Cleeve, und das kann ich anhand von Dokumenten auch beweisen, obwohl er sie vernichten wollte. Als ihm die Ehe unangenehm wurde, ließ er sie für ungültig erklären mit der Begründung, ich sei nicht sein Kind. Ich kam einen Monat zu früh zur Welt, und er konnte beweisen, dass er neun Monate zuvor in England gewesen war.«
»Warst du sehr klein?«
»Winzig. Aber das ließ er nicht gelten, und auch für das mit dem Fall betraute Kirchengericht zählte es nicht. Den Bischof interessierte eine großzügige Spende wesentlich mehr.«
»Aber jetzt ist deine Abstammung rechtsgültig bewiesen.«
»Ja. Jetzt halten Geld und Macht die Waage auf der anderen Seite nieder.«
Imogen wollte schon fast protestieren, dass das doch bemerkenswert respektlos klang, doch sie hielt ihre Zunge im Zaum.
Er erzählte weiter. »Natürlich wurde die Sache dadurch erleichtert, dass es keinen Erben gab, der sie anfocht.«
»Da dein Halbbruder Hugh praktischerweise ja schon tot war.« Jetzt wünschte sie, sie hätte sich besser im Griff gehabt. Es hieß, Hugh sei bei Tisch erstickt, doch es gab auch Gerüchte …
Ein eigenartiger Blick von ihm, der ihr bewusst machte, dass sie nackt im Bett saß, lenkte Imogen vom Thema ab. Sie schrie auf und wollte die Decke über sich ziehen, doch er nahm sie ihr blitzschnell weg.
Dann fiel ihr wieder ihr guter Vorsatz ein, und sie erstarrte. Ihr Herz pochte, und sie war hochrot im Gesicht, doch sie wehrte sich nicht gegen ihn.
»Du bist wunderschön«, sagte er. »Es gibt keinen Grund, dich vor mir zu verbergen.«
»Sittsamkeit«, hielt sie dagegen, biss sich jedoch sofort auf die Lippe.
Ein kurzes Senken seines Blicks war der einzige Hinweis für FitzRogers Unwillen, doch Imogen bemerkte ihn. »Es ist nicht unanständig, sich vor seinem Gemahl nackt zu zeigen«, erklärte er in derselben ruhigen, respekteinflößenden Weise wie zuvor. Die Situation und ihre Erinnerung machten Imogen schrecklich befangen.
Er warf die Decke über sie und verließ das Bett. Imogen wusste, dass sie wieder etwas falsch gemacht hatte. Was in aller Welt sollte sie nur tun? Trotz ihrer guten Absichten fürchtete sie, wenn er erneut versuchte, die Ehe zu vollziehen, würden dieselben schrecklichen Ereignisse sich wiederholen.
Aber ohne den Vollzug der Ehe waren sie nicht verheiratet.
Er stand an dem schmalen Fenster und blickte auf den Hof hinaus, einen Arm gegen die Wand gestemmt. Es war schattig in dieser Ecke des Raums, doch das schwache Mondlicht ließ seine Körperkonturen stark hervortreten und ihn noch härter erscheinen, als er ohnehin war.
Aber heute Nacht hatte sie gesehen, dass er auch ganz anders sein konnte.
»Ich wünschte, du würdest ins Bett kommen«, flüsterte sie in das graue Halbdunkel hinein. »Bitte.« Sie wusste, dass das möglicherweise wie eine Einladung klang, sein Tun zu wiederholen, und das wollte sie nicht. Aber sie wusste auch, dass es einer Katastrophe gleichkäme, wenn er die ganze Nacht lang an diesem Fenster stehen bliebe.
Sie glaubte, er würde sich weigern, doch dann zog er sich aus und legte sich zu ihr. Er drehte sich wieder auf die Seite und spielte mit einer Strähne ihres Haars. »Was würdest du tun, wenn ich jetzt wieder von vorn anfinge, frage ich mich?«
Imogen schluckte. »Mich fügen«, antwortete sie tapfer.
»Das dachte ich mir. Schlaf jetzt, Ginger. Wir brauchen beide unseren Schlaf.«
Als Imogen aufwachte, war es draußen taghell, und sie lag allein im Bett. Sie setzte sich auf und sah sich im Zimmer um, aber er war nicht da. Furcht ergriff sie. Eine Hochzeitsnacht ohne Vollzug der Ehe. Was würde jetzt mit ihr geschehen?
Sie hörte Männer und Hufgetrappel im Burghof und schoss in die Höhe. Er ritt fort!
Im nächsten Augenblick, noch ehe sie etwas unternehmen konnte, ging jedoch die Tür auf, und FitzRoger trat ein. Imogen griff spontan nach der Bettdecke, hielt jedoch dann inne im Bestreben, sich nicht wegen ihrer Nacktheit zu genieren. Sie fühlte Erleichterung darüber, dass er noch hier war.
Oder war er nur gekommen, um seine Abreise anzukündigen?
Er hob ihr Unterkleid vom Boden auf und warf es ihr zu. Sobald sie es anhatte, öffnete er die Tür. Zwei Bedienstete traten ein, deckten den Tisch mit
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