Fluch der Leidenschaft
mit diesem Problem befassen konnte, kam Martha hereingeplatzt. »Da seid Ihr ja, Mylady! Was tut Ihr denn hier? Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Da ist ein Mann für Euch gekommen. Ich hole ihn her.«
Sie war wieder fort, bevor Imogen Zeit fand, ihr Fragen zu stellen.
Imogen wusste nicht, mit wem sie rechnen sollte, aber sicher wäre sie nie darauf gekommen, dass es ein Handwerker sein könnte. Er verneigte sich tief. »Lady Imogen von Carrisford?«
»Ja«, antwortete sie.
»Cedric von Ross, Schuhmachermeister«, stellte sich der schlanke Mann voller Stolz vor. »Euer Gemahl hat Schuhwerk für Euch bestellt.« Er öffnete sein Bündel und holte ein halbes Dutzend noch recht unfertiger Paare heraus. Eigentlich waren es eher Sandalen.
Verwirrt nahm Imogen einen Schuh zur Hand, der praktisch nur aus einem Fersen- und einem Zehenteil bestand. »Wie würde so etwas am Fuß bleiben, Meister Cedric?«
»Sie sind alle noch unvollständig, Lady. Lord FitzRoger hat mir ein Paar Eurer Schuhe zum Maßnehmen geschickt und eine Beschreibung Eurer … äh … Schwierigkeiten. Ich habe alles so gut wie möglich vorbereitet. Jetzt können wir eine Anprobe machen, und ich bringe dann die Befestigungen so an, dass sie Euch keine Schmerzen verursachen.«
Imogen hätte vor Dankbarkeit heulen können. Inmitten allen Chaos und all der Arbeit hatte FitzRoger daran gedacht. Nein, sie wollte dieser Ehe nicht entfliehen.
Meister Cedric probierte verschiedene Varianten aus, zeichnete an, schnitt zu und nahm Maß. Schließlich hielt er ein Paar Schuhe in die Höhe, das lediglich aus dünnen Riemen und Sohlen bestand. »Diese wären am besten geeignet für drinnen, Lady, denn sie schützen Eure Fußsohlen, ohne die Wunden zu berühren. Die Riemen kann ich gleich noch befestigen.«
Imogen nickte. »Aber ich brauche auch ein festes Paar«, sagte sie. »Für den Fall, dass ich auf den Burghof gehen muss.«
Der Mann schürzte die Lippen und wählte dann die Konstruktion aus, die nur aus Zehen- und Fersenteil bestand. »Dieser hier, Lady. Seht, ich kann die Seiten noch mit weichem Leder versehen, das sollte ausreichend Schutz bieten, ohne Euch Schmerzen zu bereiten. Mit einer erhöhten Korksohle könnt Ihr dann auch durch Schmutz gehen.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Die Sandalen sind in ein paar Minuten fertig, Lady. Aber für den anderen Schuh werde ich bis morgen brauchen.«
Imogen erklärte sich seufzend einverstanden. »Schade, dass Ihr nicht ein paar Tage früher gekommen seid, Meister Cedric.«
Der Mann blickte auf. »Aber mir wurde aufgetragen, erst heute zu kommen, Lady. Sicher waren Eure Füße noch nicht gut genug verheilt, dass Ihr Schuhe hättet tragen können.«
Sofort löste sich Imogens Zufriedenheit in Luft auf. FitzRoger hatte wie immer an alles gedacht. Er wollte, dass sie mobil war – zweifellos, damit sie ihre Pflichten in der Burg wahrnehmen konnte –, aber er hatte gleichzeitig dafür gesorgt, dass sie sich erst dann frei bewegen konnte, wenn sie bereits an ihn gebunden war.
Das passte nur zu gut zu ihm. Selbst seine Freundlichkeit war wohlkalkuliert.
Aber natürlich hatte ihr berechnender Gemahl nicht ahnen können, dass die Ehe heute noch immer nicht vollzogen sein würde.
Zum ersten Mal fragte sich Imogen, weshalb das so war.
Sie erinnerte sich an ihren Gedanken, dass Lancaster den Akt vollendet hätte, auch wenn sie noch so geschrien hätte. Männer nahmen Frauen mit Gewalt, warum also hatte ihr Gemahl das nicht getan?
Man durfte jedoch nicht vergessen, dass FitzRoger immer seinen ehrgeizigen Interessen entsprechend handelte.
Sein wichtigstes Ziel hatte er erreicht; sie waren verheiratet.
Zweifellos wusste er, dass Imogen die Angelegenheit nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen würde. Also dachte er wahrscheinlich, es sei vorteilhafter für ihn, sie freundlich zu behandeln, als sie zu zwingen. Schließlich würde sie einem Vergewaltiger eher keinen Zugang zu ihrem Vermögen gewähren.
Sie seufzte. Die harte Realität hatte etwas sehr Strapaziöses.
Als die Sandalen fertig waren und Imogen sie angezogen hatte, lobte sie Meister Cedric für seine feine Arbeit und trug Martha auf, ein Plätzchen für ihn zu finden, an dem er seine Werkstatt aufschlagen konnte. Dann lief sie in ihrem Gemach umher und erfreute sich der schlichten Sicherheit, die eine Lage Leder zwischen ihren Fußsohlen und dem Boden ihr gab.
Schließlich begann sie, die Burg zu erkunden. Endlich war sie in der Lage, sich
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