Fluch der Nacht: Roman
weh, und ich könnte schwören, dass darin etwas herumkrabbelt.«
Seine Haut war schon fast grau, als er sich auf dem kleinen Rücksitz ihres Mietwagens ausstreckte. Seine Kleider waren schweißdurchtränkt, und sein Atem ging in schweren, kurzen Stößen.
Lara kniete sich auf den Boden und untersuchte die scheußlichen Schlangenköpfe an Terrys Bein. Sie wusste, was sie waren – Hybriden des schwarzen Magiers, die er gezüchtet hatte, damit sie ihm zu Willen waren. Lara hatte ihre Entstehung in ihren Albträumen gesehen. Durch ihre scharfen Fänge gaben die Schlangen ein giftiges Gemisch, aber auch mikroskopisch kleine Parasiten in den Blutkreislauf ihres Opfers ab. Diese Organismen würden nach und nach Terrys Körper und auch sein Gehirn einnehmen, bis er schließlich nur noch eine Marionette im Dienst des schwarzen Magiers war.
»Es tut mir leid, Terry«, sagte sie leise. »Diese Zähne sind mit Widerhaken versehen und müssen äußerst vorsichtig entfernt werden.«
»Dann hast du so etwas schon mal gesehen?« Er ergriff ihr Handgelenk und zog sie, da sie direkt vor der offenen Wagentür hockte, ganz dicht zu sich heran. Terry zitterte vor Schmerzen. »Ich weiß nicht, warum, aber dass du weißt, was sie sind, beruhigt mich irgendwie.«
Armer Terry, dachte Lara, die alles andere als beruhigt war. Sie war noch ein Kind gewesen, als man sie in ein Laboratorium geschleppt hatte. Die Eindrücke und Gerüche dort waren so abscheulich gewesen, dass sie versucht hatte, sie für immer zu vergessen. Den Geruch von Blut. Die Schreie. Das groteske Gewimmel sich windender, winziger Würmer, die sich in wilder Fresswut über menschliches Fleisch und Blut hermachten.
Lara holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Sie hatten nicht viel Zeit. Sie musste Terry zu einem Meisterheiler bringen, der mit solchen Dingen umzugehen wusste, aber sie konnte wenigstens dafür sorgen, dass sein Zustand sich nicht noch verschlechterte.
Gerald blickte sich um, bevor er wieder zum Berg hinaufschaute, der jetzt ganz still und ruhig war. Weißer Dunst verschleierte ihn, doch die Stimmen waren nicht mehr da. Die Wolken wurden schwerer und dunkler, aber der Berg sah menschenleer und unberührt aus – oder zumindest doch nicht so, als wäre er von irgendwem erklommen und angegriffen worden.
»Lara?« Gerald hörte sich ebenso verwirrt an, wie er aussah. »Ich kann mich nicht erinnern, wo wir sind. Ich weiß nicht einmal mehr, wie diese Schlangen Terry angegriffen haben. Brauchen Schlangen denn keine höheren Temperaturen? Was ist los mit mir, Lara?«
»Das ist jetzt nicht so wichtig, Gerald. Das einzig Wichtige ist, diese Zähne aus Terrys Bein herauszukriegen und ihn in den Gasthof zu schaffen, wo ihm jemand, der sich damit auskennt, helfen kann.« Jemand, der nicht nur etwas von moderner Medizin verstand, sondern sich auch mit Naturheilkunde auskannte. Wenn dies die Gegend war, in der sie als Kind gefangen gehalten worden war, gab es hier bestimmt auch jemanden, der wusste, wie von Magiern zugefügte Wunden zu behandeln waren.
Lara schloss die Augen, um nicht Terrys graues Gesicht und Geralds besorgtes sehen zu müssen. Tief in ihrem Innersten, wo die Fülle ihres Wissens sich verbarg, fand sie ihren Ruhepunkt. Fast konnte sie die leisen, sie anleitenden Stimmen ihrer Tanten hören, als die Informationen ihren Kopf schier überfluteten. Die nach innen gebogenen Fänge der Schlangenköpfe hatten einen Widerhaken an der Spitze ...
Abgetrennter Kopf, der nicht lockerlassen will ... Die Fänge werden gezogen mit Hitze und mit Licht. Entzieh dem Körper das Gift, dämm den Schaden ein und lindere den Schmerz!
»Vielleicht gibt es jemand viel Besseren, um dich von diesen Zähnen zu befreien«, sagte Lara zu Terry. »Wir können dich schnell in den Gasthof bringen, und das Ehepaar, dem er gehört, kann möglicherweise jemanden holen, der mit so etwas schon mal zu tun hatte.«
Terry schüttelte den Kopf. »Ich ertrage das nicht mehr, Lara. Wenn du sie nicht sofort herausholst, reiße ich sie mir selbst raus. Ich halte es wirklich nicht mehr aus.«
Lara nickte verständnisvoll und griff nach dem Messer an dem Werkzeuggürtel unter ihrer Jacke. »Na schön, dann bringen wir es hinter uns. Gerald, setz dich auf der anderen Seite neben Terry und halte seine Schultern fest.« Sie wollte vor allem vermeiden, dass etwas von dem vergifteten Blut auf Gerald spritzte, weil die darin enthaltenen Mikroorganismen eine Gefahr für sie alle
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