Fluch der Nacht: Roman
sie die Zähne zusammen.
»Ich will absolut nichts mit Blut zu tun haben!«
»Das dachte ich mir schon.« Nicolas richtete sich auf und entfernte sich von ihr. Er glitt wieder mit dieser eigenartigen Lautlosigkeit über den Höhlenboden, die Lara an eine Dschungelkatze auf der Jagd erinnerte. »Geht es dir wieder gut genug, um hier allein zu bleiben, oder wird diese Höhle noch mehr Erinnerungen in dir hervorrufen?«
Sie bedachte ihn mit ihrem grimmigsten Stirnrunzeln. »Ich bin Höhlenforscherin und halte mich bereits mein halbes Leben in Höhlen auf. Ich hatte nur ein kleines Problem für einen Moment, als ich diese widerlichen Parasiten sah. Aber jetzt geht es mir wieder gut. Bestens sogar, Nicolas.« Sie blickte sich ganz bewusst noch einmal um. »Ich finde es ziemlich schön hier unten.«
Und das war es auch. Die Wände waren von Mineralien und Kristallen durchzogen. Kerzen in allen Größen waren überall verteilt. Der Teich sah einladend aus. Die Luft war frisch und beruhigend. Hinter dem Raum, in dem sie sich befand, konnte sie eine Art Schlafzimmer sehen, das ähnlich wie ein Zimmer in einem Haus über der Erde eingerichtet war. Nicolas hatte sich sichtlich Mühe gegeben, ihr einen ruhigen, sicheren Platz zum Ausruhen zu verschaffen.
»Die Schutzzauber sind aktiviert. Es sind die neuesten, die wir haben, um Feinde fernzuhalten, die sich mit unseren Gebräuchen auskennen. Du wirst hier sicher sein. Und solltest du mich brauchen, musst du nur rufen«, sagte Nicolas. »Ich werde dich hören.«
»Wie ist es möglich, dass wir uns auf diese Art verständigen können?«, fragte Lara neugierig. »Wir benutzen nicht den sonst bei Karpatianern üblichen Kommunikationsweg. Ich dachte, der würde durch eine Blutsverbindung hergestellt. Du hast mein Blut genommen, aber ich nicht deins.«
Dessen war er sich nur allzu gut bewusst. Das Verlangen danach, ihr Lebenselixier zu kosten, dröhnte in seinen Ohren, donnerte in seinem Herzen, rauschte durch seine Adern und ließ das Blut in seinen Lenden pochen. Er holte tief Luft, um seinen Körper zu entspannen und seinen Geist im Zaum zu halten, weil seine animalischere Seite dominieren wollte. »Du bist meine Seelengefährtin, und ich habe uns aneinander gebunden. Der Rest wird mit der Zeit schon kommen.«
»Und wenn nicht?«
Er zuckte die Schultern. »Dann überleben wir dieses Leben nicht und werden in das nächste gehen, um es von Neuem zu versuchen.«
Sie beobachtete, wie seine hochgewachsene Gestalt sich in Nebel auflöste, der aus der Höhle strömte. Erst dann merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte, stand auf und streckte sich, um ihre verkrampften Muskeln zu entspannen. Statt erleichtert zu sein, dass sie hier war, müsste sie verärgert sein, weil Nicolas sie ohne ihre Zustimmung von ihren Freunden weggebracht hatte. Aber wenn sie ehrlich war, hatte sie in jenem Raum im Gasthof nicht einmal mehr atmen können. Und klar denken schon gar nicht. Sie war nicht stark genug als Heilerin, um Terry von den Parasiten zu befreien. Ohne sie in diesem Zimmer würden die Karpatianer noch mehr der ihren herbeirufen, und Terry würde bessere Chancen haben.
Sie seufzte, weil sie wusste, dass Terrys und Geralds Erinnerungen ausgelöscht werden würden, dies aber die einzige Möglichkeit war, ihre Freunde zu beschützen. Und vielleicht hatten ihre Tanten ja aus genau dem gleichen Grund ihre eigenen Erinnerungen gelöscht oder blockiert.
Lara zog sich aus und legte ihre ordentlich gefalteten Kleidungsstücke auf einen flachen Felsen am Rand des Teichs, bevor sie in das an Mineralien reiche Wasser stieg, um ihre Verkrampfungen zu lösen. Das heiße Wasser umspülte ihre Schenkel und vertrieb die Kälte abscheulicher Erinnerungen.
Langsam schwamm sie durch den brodelnd warmen Teich und spürte augenblicklich, wie ihr Kopfschmerz nachließ und sich die verkrampften Muskeln an ihrem Nacken entspannten. Mit einem wohligen kleinen Seufzer ließ sie sich auf dem Rücken dahintreiben und schloss die Augen.
Mit trägem Flügelschlag überflog Nicolas den Wald. Um die Entfernung leichter und schneller zurücklegen zu können, hatte er die Gestalt einer Eule angenommen, denn er hatte viel zu tun. Das Allerdringlichste war, mit dem Prinzen zu sprechen und ihm die Botschaft zu überbringen, derentwegen er so weit gereist war. Trotzdem ließ er sich Zeit in der Luft, weil er zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren das unglaubliche Gefühl des Fliegens genoss, statt es als
Weitere Kostenlose Bücher