Fluch der Nacht: Roman
war eine Gefangene, ohne Kontrolle, ohne Macht und Mitspracherecht über ihr eigenes Leben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Nicolas Sex von ihr verlangen und sie sich seinen Wünschen beugen würde, weil sie ihren Körper nicht daran hindern konnte, den seinen zu begehren.
Sie erschauderte. Von da an würde er anfangen, ihr Blut zu nehmen. Es lag in der Natur der Karpatianer, beim Geschlechtsakt Blut zu nehmen, und sie hatte mehr als einmal Nicolas’ Wunsch gespürt, es bei ihr zu versuchen. Aber sie wäre lieber tot als hörig und versklavt. Sie könnte gar nicht weiterleben, ohne ihr Leben in der Hand zu haben und selbst bestimmen zu können, was sie tat. Sie konnte sich nicht erlauben, sich als Nahrung benutzen zu lassen oder – was ihrer Befürchtung nach geschehen würde -als Sexspielzeug und Nahrung herhalten zu müssen.
Lara dachte an ihre Vergangenheit, vergegenwärtigte sich die wenigen Erinnerungen, die sie an ihre Kindheit hatte, und wusste, dass sie diese Zeiten nicht noch einmal als Erwachsene durchleben könnte. Sie lag wach, während die Sonne zu ihrem höchsten Punkt anstieg und auch ihr Körper so bleiern wurde, dass sie sich fast nicht mehr bewegen konnte. Als die Sonne unterzugehen begann, probierte sie verschiedene Zauber aus, um sich von der Eisenschelle, die sie an Nicolas band, zu befreien, doch egal, was sie auch versuchte, sie kam nicht gegen seine Zauber an.
Die Augen feucht vor Tränen, blickte sie zu der mit Edelsteinen besetzten Decke auf, ohne sie zu sehen. Da war noch so viel, was sie zu tun versprochen hatte, doch dazu war es zu spät. Ihr wichtigstes Versprechen hatte sie sich selbst gegeben, und sie weigerte sich, irgendetwas anderes auch nur in Betracht zu ziehen. Sie musste einfach nur genügend Mut aufbringen, um den einzigen Ausweg zu nehmen, der ihr noch blieb.
Nicolas erwachte allmählich, tat alle paar Minuten einen kleinen Atemzug und ließ seinen Geist und Körper Frieden in der Stille finden. Lara hatte ihm wehgetan, und er konnte sich nicht erinnern, wann ihm so etwas zum letzten Mal passiert war. Er hatte ja nicht einmal gewusst, dass irgendjemand dazu in der Lage war. Nicolas wusste nur, dass er den Schlaf jetzt eigentlich abschütteln und sich mit Lara auseinandersetzen müsste, doch vorher musste er seine völlig ungewohnten Gefühle in den Griff bekommen. Sie hatte ernsthaft seinen Stolz verletzt, als sie ihm vorgeworfen hatte, süchtig nach dem Rausch der Macht zu sein. Ehre, nicht Sucht, hatte ihn in all diesen Jahrhunderten aufrechterhalten, und diese Ehre war das Einzige, was er ihr zu bieten hatte. Doch selbst die hatte Lara ihm mit ihrer gedankenlosen Beschuldigung genommen.
Er hätte sie erwürgen können, gleichzeitig jedoch war das Bedürfnis, sie zu küssen, ihren Körper mit dem seinen zu beherrschen, in ihm erwacht wie ein furchtbarer Dämon, der von seinem Kopf Besitz ergriffen hatte. Sie hätte froh sein sollen über seine Ehre, denn ohne diese hätte sie sich nackt und stöhnend unter ihm wiedergefunden. Sie schuldete ihm Ehrerbietung und Respekt. Lara war noch so jung und unerfahren in allem, dass sie sich auf seine Weisheit verlassen und ihm vertrauen müsste. Er hatte nur versucht, sie zu beschützen, aber sie versteifte sich darauf, sich wie so viele andere Frauen zu verhalten und dumme und gefährliche Dinge zu verlangen, ohne sie durchdacht zu haben.
Ihm war, als drückte ein Gewicht auf seine Brust, was ein äußerst seltsames Gefühl war in diesem eigentlich schwerelosen Zustand zwischen Schlaf und Wachsein. Seine Handgelenke brannten und schmerzten. Furcht kroch seinen Rücken hinauf und fand den Weg in sein Bewusstsein. Sein Geist reagierte, griff abrupt nach seinem Körper und nahm ihn in Besitz. Nicolas war sofort hellwach.
Er hörte das Geräusch von angestrengtem, flachem Atmen und roch – den Tod . Als er sich bewegte, spürte er Laras eisig kalten Körper an dem seinen, wandte sich ihr erschrocken zu und sah ihr Gesicht, ihre weit offenen, blicklosen Augen, mit denen sie zur Decke aufstarrte, ohne etwas zu sehen. Mit einer schnellen Handbewegung löste er die Eisenschellen auf, um sich vor sie hinknien zu können, und fast blieb ihm das Herz stehen – um ihm dann bis in den Hals zu springen, als er ihren schlaffen Arm ergriff. Ihr Handgelenk war aufgerissen – offenbar hatte sie ganz bewusst versucht, ihr Leben zu beenden. Ihre eigenen Zähne hatten ihr diese klaffenden Wunden beigebracht und ihre Vene geöffnet, sodass
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