Fluch der Nacht: Roman
eindeutig den Tod einem Leben mit ihm vorzog, versuchte er, ihr seinen Willen aufzuzwingen.
Juosz és olen ainaak sielamet jutta! Trink und werde eins mit mir! Lebe mit mir! Ich werde nie perfekt sein, aber alles in meiner Macht Stehende tun, um dich glücklich zu machen. Trink und lebe! Es war ein Befehl – ein mit einem Zwang unterlegter Befehl, in den er alle Macht legte, die er aufzubringen vermochte, weil er Lara nicht gehen lassen konnte. Er wollte, dass sie lebte, und er würde den Rest der Zeit, die ihnen blieb, versuchen, sie davon zu überzeugen, dass er das Richtige getan hatte.
Ihr Mund bewegte sich an seiner nackten Brust, und die unerwartete Reaktion seines Körpers darauf traf ihn völlig unvorbereitet. Die Hitze, die zu Feuer explodierte. Die fast schmerzhafte Erregung, die ihn erfasste. Das Brennen seines Blutes in seinen Adern ... Nicolas warf den Kopf zurück und nahm das Gefühl in sich auf, so tief er konnte, und hielt es fest. Es war der Ruf eines Karpatianers an seine Seelengefährtin. Seine Seele hatte die ihre gerufen, und sie hatte seinen Ruf beantwortet. Ihr Geist und der seine suchten einander, sie brauchten die beständige Nähe zwischen ihnen. Und jetzt rief sein Körper, fest entschlossen, den ihren zu erwecken. Aber wo war sein Herz? Hatte er überhaupt eines? War das ein Teil des Fluchs seiner Familie? Vielleicht hatten sie ja wirklich alle kein Herz – oder auch vielleicht nur er nicht. Obwohl er jetzt gerade, in diesem Augenblick, das Gefühl hatte, als bräche das seine entzwei. Er litt für sich und sie zugleich.
Seine Lebenskraft durchflutete Laras verhungernden Körper; Organe, Gewebe und Hirn griffen instinktiv und gierig nach der Nahrung – nach dem Leben. Nicolas sorgte dafür, dass er ihr nicht nur ausreichend Blut gab, um zu ersetzen, was sie verloren hatte, sondern genug für einen formellen Blutaustausch. Ihren ersten wirklichen Austausch, der auch dringend nötig war. Nicolas musste ein gewisses Maß an Kontrolle finden, um die Düsternis zu bekämpfen, die in den letzten paar Jahrhunderten so stark in ihm geworden war. Seine einzige Befürchtung war gewesen, zum Vampir zu werden, der verabscheuungswürdigsten aller üblen Kreaturen, doch nun, da seine Seelengefährtin Licht in seine Finsternis brachte, hätte er sich vielleicht sogar noch mehr sorgen müssen. Denn ohne den formellen Blutaustausch – selbst nach dem Inbesitznahme-Ritual noch –, bis sie in Körper, Seele und Geist miteinander eins geworden waren, stellte er eine Gefahr für alle dar, insbesondere für Lara.
Nicolas hielt sie fest an seiner Brust in den Armen und wiegte sie noch immer wie ein kleines Kind. Die Sonne war schon vor einiger Zeit untergegangen, und der Abend nahte. Nicolas hatte keine Ahnung, wann sie sich verletzt hatte oder wie lange sie vorher wach gelegen und darüber nachgedacht hatte, es zu tun, denn ihr Geist war weit entfernt von ihrem Körper.
»O jelä sielamak! Licht meiner Seele, komm zurück zu mir!«
Sie begann plötzlich zu zappeln, und sein erster Gedanke war, dass sie ihm unbedingt fernbleiben wollte, aber dann merkte er, dass ihr Geist woanders festgehalten wurde. Sie war auf einem Meer von Blut davongetrieben, und wo auch immer ihr Geist gewandelt war, ob in der Vergangenheit, der Gegenwart oder in der Schattenwelt, steckte sie jetzt in einem Netz fest, aus dem sie sich nicht mehr befreien konnte. Ohne Zögern ließ Nicolas seinen Geist voll und ganz mit ihrem verschmelzen und folgte dem Pfad, um sie zu finden und ins Land der Lebenden zurückzuführen.
8. Kapitel
N icolas fror. Es war kalt. Zum ersten Mal in seinem Leben war es ihm unmöglich, seine Körpertemperatur zu regulieren, egal wie oft er es versuchte. Die Kälte war lähmend – und da war so viel Angst, die ihn wie in gigantischen Wellen überflutete. Angst war kein Gefühl, mit dem er vertraut war, und diese Wellen waren so überwältigend, dass sie ihn aus dem Gleichgewicht brachten, ihm den Magen umdrehten und sein Herz wie wild zum Schlagen brachten. Er fragte sich nicht einmal, wieso, weil er ja eigentlich keines haben – oder hören – dürfte, solange er außerhalb seines Körpers war, sondern akzeptierte einfach, was geschah, und eilte Lara weiter nach.
Er fand sie im Körper eines Kindes. Sie war so klein, und ihr Herzchen schlug so furchtbar aufgeregt. Panische Angst – ihre Angst – beschlich seinen Geist und erfüllte jeden Winkel, bis sie sich in seiner Seele festgesetzt hatte.
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