Fluch des Magiers
überquerten die Grenze zu Ildhis und ritten durch ausgedehnte Wälder. Unterwegs sah Laisa westlich von sich den Gebirgsring der Winterkrone aufragen. Es war ein Anblick, der ihr selbst im Sommer Ehrfurcht einflößte, und sie wünschte sich, dieses Land bald einmal aufsuchen zu können. Nun aber ritt sie daran vorbei und erreichte rasch die Grenze zu Orelat. Die Menschen dort – das konnte auch jedes unmagische Wesen erkennen – waren erleichtert, dass die Kriege vorüber waren. König Revolh hatte jeden wehrfähigen Mann in sein Heer geholt, und dadurch waren Handwerk und Handel beinahe zum Erliegen gekommen und die Not zum täglichen Begleiter geworden.
Dies würde sich nun, da Gerran König war, schnell ändern, sagte Laisa sich und richtete ihre Gedanken auf die weitere Reise. Sie würde noch einige Reiche durchqueren und den Thane überwinden müssen, um Gilthonian zu erreichen. Dort aber wollte sie Erulim die nächste und wohl schmerzhafteste Niederlage bereiten.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Der wahre Feind
I n Gilthonian überlegte Erulim, wie er die Kriegsfurie in den Dämmerlanden am besten entfachen konnte. Die beiden Göttinnen und die vier Götter mussten erkennen, dass die Menschen in diesem Teil der Welt ohne eine feste Hand unregierbar waren. Dann würden sie nichts dagegen unternehmen, wenn er selbst die Macht ergriff und sich zum Herrn der Dämmerlande aufschwang. Eine oder zwei Generationen später war er dann der siebte Gott.
Bei dem Gedanken wanderte sein Blick nach oben. Es war Nacht, und es standen fünf Monde zugleich am Himmel. Nur der größte, der Blau- oder Ilyna-Mond, fehlte. Plötzlich fiel ihm ein, dass jeder der Monde einem Gott zugeordnet wurde. Doch wie war es mit ihm? Einen siebten Mond konnte auch er nicht an den Himmel zaubern.
Dies war etwas, das ihn immer in den Schatten der eigentlichen Götter stellen würde, und er überlegte, ob er nicht den blauen und den grünen Mond für sich reklamieren und die Göttin Ilyna und deren feindlichen Bruder Tenelin aus dem Gedächtnis der Menschen streichen sollte. Erulim-Mond und Gayyad-Mond hört sich gut an, dachte er dabei. Doch irgendwie war es nur eine Hilfskonstruktion, die sich nur schwer und wohl auch nicht überall würde durchsetzen lassen.
An diesem Tag wurde Erulim klar, dass er dem Himmel bei all seinen Überlegungen eine zu kleine Rolle eingeräumt hatte. Sein Blick wanderte weiter zum hellsten Stern am Firmament. Dieser überstrahlte nicht nur den schwarzen Mond Giringars, sondern auch den violetten Mond der Linirias. Vielleicht sollte er diesen Stern, der in alten Sagen die »Schwester« genannt wurde, zu seinem Mond ernennen? Doch Monde waren etwas, das die Welt in festen Bahnen umkreiste. Die »Schwester« hingegen zog ihrer eigenen Wege und umkreiste die Sonne. In uralten Schriften, die er irgendwo entdeckt hatte, wurde die »Schwester« sogar als »Schwesterwelt« bezeichnet. Sollte sie wirklich eine Welt wie diese hier sein? Die Eirun brauchte er nicht zu fragen. Für diese stellte die »Schwester« einen Stern dar, den die drei westlichen Götter zum Andenken an eine von Giringar ermordete Schwester in den Himmel gesetzt hatten.
Im Osten hingegen glaubte man, dieser Stern würde eine Schwester Ilynas symbolisieren, die Taliens Wüten zum Opfer gefallen war. Die Übereinstimmung war so frappant, dass Erulim erstaunt den Kopf schüttelte. Auch wenn sie auf feindlichen Seiten standen, waren Talien und Ilyna Geschwister. Tenelin war ihr jüngerer Bruder, Linirias galt als Halbschwester der drei, Meandir als Großneffe und Giringar als dessen und Linirias Sohn.
Doch wo stand er? Im Grunde war er ein Troggeschöpf aus grünen und blauen Wurzeln, das der Schwarzlandmagier Wassarghan durch den Einsatz gewaltiger Magien erzeugt hatte. In seiner grünen Erscheinung hatte Wassarghan ihn als Spion im Westen einsetzen und als Gayyad zu seinem Handlanger im Blauen Land machen wollen. Dabei hatte der Hochmagier sich eingebildet, ihn stets beherrschen zu können. Das war ein Fehler gewesen. Erulim lächelte, als er daran dachte, wie er sich mehr und mehr befreit hatte und seinen eigenen Zielen gefolgt war. Mittlerweile war Wassarghans Ansehen im Schwarzen Land schwer erschüttert, und so konnte er seine Pläne ohne die bisher geübte Vorsicht in die Tat umsetzen.
Um die Ausführung dieser Pläne zu überwachen, hätte er Gilthonian schon längst verlassen müssen. Doch die Furcht vor Khaton und jenen unbekannten Feinden,
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