Fluch des Magiers
Göttin …«
»Dämonin!«, unterbrach ihn der andere voller Abscheu.
»Wenn Ihr meint«, fuhr der Priester freundlich fort. »Das dort ist die Dame Laisa. Ihre Farbe ist weiß wie der Marmor, der am Fuße des Fudanberges gebrochen wird. Sie ist die Botin des hohen Evari Khaton und die Retterin unserer Brudervölker in Tanfun und Gamindhon.«
»Danke!« Der Fremde atmete tief durch, wandte sich mit einem höflichen Abschiedswort ab und bog in eine Seitenstraße ein. In kurzer Zeit erreichte er die Herberge, in der er untergekommen war, und rief nach dem Knecht. Doch der war nicht zu finden. Auch in der Herberge befand sich niemand, denn alle waren zum großen Platz und der Hauptstraße geeilt, um Laisa zu sehen.
Da er nicht warten wollte, bis die Leute zurückkamen, holte der Fremde seine Sachen aus seiner Schlafkammer, sattelte sein Pferd und ritt davon. Erst am Stadttor fiel ihm ein, dass er weder die Übernachtung noch seinen Verzehr bezahlt hatte. In dem Wissen, dass die Edanier so etwas übelnahmen, überlegte er, ob er nicht noch einmal zurückkehren und etwas Geld zusammen mit einem Zettel auf die Schanktheke der Herberge legen sollte. Die Nachricht, die er überbringen musste, brannte jedoch zu stark unter seinen Nägeln. Daher passierte er das Tor und trieb draußen seinen Gaul zum Galopp an. Er wusste, dass er die Strecke nicht an einem Tag zurücklegen konnte, doch er wollte so schnell zu Hause sein, wie es nur möglich war. Den Auftrag, den er eigentlich hätte ausführen sollen, vergaß er während seines hastigen Rittes ebenso wie die Schulden, die er in Edaniarah hinterlassen hatte.
☀ ☀ ☀
Tensei führte Laisa auch in den Tempel, der anders als in anderen Reichen in schlichter Eleganz errichtet worden war und dessen Dach wie eine weiße Wolke über ihnen schwebte. Ganz aus weißem Marmor, weißem Holz und anderen, blütenweißen Materialien errichtet, wurde der Tempel nur von einer einzigen Statue geschmückt. Sie zeigte den Gott Meandir, der auf einem Felsblock saß und die rechte Hand zu einer segnenden Geste erhob. In seiner Linken trug er etwas verdeckt ein Miniaturmodell des Denkmals auf dem großen Platz.
»Auf diese Weise haben unsere Ahnen unseren Retter dem großen Meandir anempfohlen, auf dass dieser auch in seiner Gnade steht«, erklärte Tensei das Modell, das aus blauer Jade gefertigt war und für Laisa leicht blaumagisch strahlte.
»Ihr habt eine schöne Statue. In den anderen Ländern sind die Standbilder so kriegerisch.«
Laisa dachte zwar mehr an T’wool, doch auch in Thilion, Urdil und sogar in Tanfun wurden die jeweiligen Götter mit Waffen gezeigt.
»Wir wünschen Frieden und Wohlstand für unser Volk. Doch wenn es sein muss, können wir auch kämpfen.«
Tensei lächelte dabei, doch Laisa spürte die Festigkeit hinter seinen Worten. Da sie bereits erlebt hatte, wie rasch Edanier zu Kriegern werden konnten, fragte sie sich, ob sie schlechte Erfahrungen mit ihren Nachbarn gemacht hatten oder ob dies noch ein Erbe aus der Zeit war, in der sie auf der roten Seite des Stromes gelebt hatten.
Diese Frage stellte sie jedoch zurück, bis sich die Gelegenheit zu einem gemütlichen Gespräch ergab, und überreichte Tensei den Brief, den Khaton ihr mitgegeben hatte.
Der Oberpriester nahm ihn mit einer Geste der Ehrfurcht entgegen, öffnete ihn und las ihn durch. Seiner Miene konnte Laisa nicht entnehmen, was in dem Brief geschrieben stand, doch als sie sich auf die magische Schrift konzentrierte, bekam sie mit, dass Khaton das Volk von Edania vor den Artefaktwaffen des Königs von Orelat warnte.
Schließlich faltete Tensei den Brief wieder zusammen und verbeugte sich vor Laisa. »Ich danke Euch, Ehrwürdige, für das Überbringen dieses Schreibens. Bislang haben wir nur Gerüchte aus dem Norden vernommen, doch nun haben wir Gewissheit und vermögen uns auf jede Entwicklung einzustellen. Wir freuen uns, dass Ihr, sollte es zu einem Krieg mit Orelat kommen, an unserer Seite kämpfen werdet.«
So hatte Khaton Laisa die Sache nicht erklärt. Sie wollte nicht mit großen Heeren ziehen und simple Tölpel töten, die von ihren Anführern in die Schlacht geführt wurden. Ihr Ziel waren die Männer, die hinter den Angriffen standen. Dazu gehörte König Revolh von Orelat, vor allem aber jene Person, die diesem zu seinen magischen Waffen verholfen hatte. Da es Flammenlanzen und Schriftrollen, die magische Sprengungen auslösten, nicht einmal in Edessin Dareh zu kaufen gab und die
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