Fluch des Magiers
Doch der Verstand riet ihr, Reolan zu nehmen. Er war kampfkräftiger als ihre Freunde und besaß als weißer Eirun doch eine gewisse Macht über weiße Menschen. Zuerst aber musste sie das Artefakt so aus der Truhe herausschaffen, dass es nicht auf die Bodenplatten fiel und Schaden nahm. Das gelang ihr, indem sie es mit ihrem langen Schwanz umwickelte und rückwärts hinabkletterte. Anschließend schleppte sie es auf ähnliche Weise hinter sich her.
Als sie wieder in die Halle stand, atmete sie erleichtert auf. Wenn in der Zwischenzeit jemand hereingekommen wäre, hätte derjenige sie jederzeit mit einem Besenstil niederschlagen und versteinern können.
»Hier gibt es keine Besenstiele«, murmelte sie, während sie das Artefakt mit allen vieren in Position brachte und den Einschaltknopf mit der Schwanzspitze betätigte. Ein weißmagisches Feld hüllte Reolan ein, und sie sah, wie seine Haut ihre steinerne Struktur verlor. Seine Lider zuckten, und dann bewegte er die Finger der linken Hand.
»Es klappt!«, hörte sie ihn jubeln.
»Gleich wirst du kotzen, großer Krieger«, erklärte Lizy, die diese unangenehme Begleiterscheinung des Entsteinerns bereits bei anderen erlebt hatte.
Reolan nickte, öffnete dann die Augen und blickte sich suchend um. »Wo bist du? Ich sehe dich nicht!«
»Hier«, antwortete Laisa und stieß ein kleines Rauchwölkchen aus, das langsam nach oben stieg.
Der Blick des Eirun wanderte tiefer, und er starrte mit weit aufgerissenen Augen das kleine, echsenartige Wesen an, das zu seinen Füßen hockte und sehr zufrieden zu ihm aufschaute.
»Na, wie habe ich das gemacht?«, fragte Lizy.
Anstatt einer Antwort begann Reolan zu würgen. Er krümmte sich und erbrach die halb versteinerten Reste seines Mageninhaltes, die anders als lebendes Gewebe nie ganz von der Entsteinerungsmagie erfasst wurden.
Da er Lizy leidtat, wollte sie ihm Mut machen. »Das ist doch gar nicht so schlimm. Stell dir vor, der grüne Mistkerl hätte dich mit einem schwarzen Artefakt versteinert!«
»Das hätte mein Geist sehr wahrscheinlich nicht ausgehalten«, kam es kläglich zurück. Nach einer Weile richtete Reolan sich auf, setzte sich auf den Boden und musterte Lizy mit einer Miene, als wisse er nicht, ob sie Wirklichkeit sei oder nur ein Teil eines wirren Traumes.
»So etwas wie dich habe ich noch nie gesehen. Bist du ein neu gezüchtetes Geschöpf aus dem Weißen Land?«, fragte er.
Lizy schüttelte beleidigt ihr Köpfchen. »Ich bin kein Zuchtgeschöpf!«
Dabei wusste sie selbst nicht, was sie wirklich war, dieses kleine Wesen, die Katzenfrau in dem Silberkäfig oder … So weit wollte sie lieber nicht denken. Außerdem gab es Wichtigeres, als die Herkunft von Lizy zu erforschen.
»Da wir nicht wissen, wann der verrückte König oder sein Lump von Kanzler wiederkommen, sollten wir jetzt besser meine … äh, die weiße Katzenfrau dort befreien!«
Reolan musterte erst einmal Laisas Katzengestalt und überzeugte sich davon, dass sie wirklich von weißmagischer Farbe war. Dann trat er auf sie zu und begann, das Silbergeflecht mit seinem Schwert zu durchtrennen. Schließlich konnte er den Käfig öffnen, hineingreifen und Laisas versteinerten Körper herausholen.
Lizy schob ihm das Artefakt zu. »Mach schon!«
Gleichzeitig richtete sie alle Gedanken auf den Laisa-Körper, bis sie einen Zug zu spüren begann, der sie in ihre wahre Gestalt zurückholen wollte. In dem Augenblick, in dem Reolan das Artefakt einsetzte und ihr Katzenkörper sein steinernes Aussehen verlor und langsam in sich zusammensackte, richtete Laisa ihre magischen Fäden auf sich und sah staunend, wie ihre Lizy-Gestalt sich aufzulösen begann und als feiner Nebel auf ihren Körper zuwehte. Im nächsten Augenblick erwachte sie als Katzenfrau und spürte kurze Zeit noch eine leicht andere, aber doch vertraute Präsenz in sich.
Dann aber rebellierte ihr Magen, und sie vergaß alles andere. Um nicht den gleichen jämmerlichen Anblick zu bieten, wie Reolan vorhin, setzte sie alle magische Kraft ein, die sie besaß, um ihre Innereien zu beruhigen. Es war beinahe, als würde ihr Magen in Flammen stehen. Doch die Schmerzen ließen bald nach, und sie konnte ihre Lippen zu einem Grinsen biegen.
»Nicht schlecht, großer Krieger! Aber jetzt gib mir das Ding, damit ich die anderen entsteinern kann!« Noch während sie sprach, nahm sie Reolan das Artefakt ab und richtete es auf Rongi.
»Du willst den blauen Kater entsteinern?«, rief der Eirun so
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